Geschichten und Sagen
des Kremser Bezirkes
1.
Teil 1
von Vorwort bis Sage 5
V o r w o r t Die vorliegende Sammlung "Geschichten und Sagen des Bezirkes Krems" verdankt ihre Entstehung der Mitarbeit der Lehrer und Schüler in den einzelnen Orten des Bezirkes. Nach mühevoller Arbeit und Überwindung gewisser Schwierigkeiten kann nun das 1. Heft dieser Sammlung in Druck erscheinen. Dafür sage ich Herrn Hauptschullehrer Rudolf R i e d e l und seinen Mitarbeitern herzlichen Dank. Möge dieses Heft und alle weiteren bei Jung und Alt eine freundliche Aufnahme finden und mithelfen, die Liebe zur engeren Heimat und ihrer Vergangenheit lebendig erhalten.
Reg. Rat Franz P e r n a u e r, |
KREUZ AM WEGE
Kreuz am Wege . . .
(Verfasser unbekannt) |
1 DAS SPRECHENDE KRUZIFIX Auf Burg Lichterfels am Kamp lebte einst ein Ritter, der einmal, betrübt über den Tod seiner Frau, in der Burgkapelle betete. Da war es ihm, als ob das Kruzifix am Altare zu ihm gesagt hätte, daß er in das Kloster Zwetll als Mönch eintreten solle. Er folgte der Stimme Gottes, die aus seinem Gewissen sprach. Da er aber nicht lesen noch schreiben konnte, fand er nur als dienender Bruder Aufnahme. Darüber wurde er traurig. Und als einmal in der Versammlung der Mönche der fromme Ritter nachdachte, ob er denn in seiner Niedrigkeit Gott ebenso lieb sei als die anderen, da bemerkte er über dem Haupte eines Jeden Mitbruders und auch über seinem einen hellen Schein. Darüber empfand er solchen Trost, daß er bis an sein Lebensende als Laienbruder im Kloster, zu Zwettl Gott diente.
Aus Kisslings "Frau Saga" 11/19/21. |
2 DAS SCHWEDENKREUZ VON MORITZREITH Am Ende des Dreißigjährigen Krieges brach ein versprengter Schwedentrupp wie ein furchtbares Gewitter über den bisher verschont gebliebenen Ort Moritzreith herein. Vermutlich suchten diese verwegenen Scharen noch unberührte Gegenden auf ihrem Wege vom nordwestlichen Waldviertel zur Donau auf. Vom ganzen einstigen Markt konnten nur einzelne stattliche Höfe deim Überfall standhallen. Die grolle Zahl der kleinen Höfe fiel der Raublust des wilden Haufens zum Opfer. So sank der weitaus größte Teil des Marktes in Schutt und Asche. Wer sich nicht durch die Flucht retten konnte, kam ums Leben. Von ihrem grausamen Tagewerk erschöpft, schlugen die Schweden in der Nähe ihr Lager auf. Der flackernde Schein ihrer .Feuer erweckte den Anschein, daß ihre Greueltaten am nächsten Tage ihre Fortsetzung finden könnten. Der Schreck saß den Überlebenden von Moritzreith noch in den Gliedern. Und so trieb sie die Furcht, ein gleiches Schicksal zu erleiden, im Schutze der Nacht von Haus und Hof. Tatsächlich kehrten am nächsten Morgen einige habgierige Schweden zu den noch schwelenden Trümmern des Marktes zurück und fanden zu ihrer Überraschung die am Vortag unbezwungen gebliebenen Höfe verlassen. Zusammen mit ihren rasch herbeigerufenen Gesellen setzten sie die Plünderung fort und vollendeten die Zerstörung. Nach Abzug der Schweden war der höher gelegene Teil des Ortes zur Gänze dem Erdboden gleichgemacht. Noch heute bedecken nur magere Wiesen den Abhang, wo vereinzelte Föhren das öde Bild beleben. Und wenn nach heftigen Gewitterregen die niederrauschenden Wassermassen den Boden aufreißen oder der Pflug die Erde aufbricht, stößt man hie und da auf Geräte und Mauerwerk, die die Kunde aus Jener Zeit bestätigen. Der tiefer gelegene Teil' der Siedlung wurde später wieder aufgebaut und bewohnt. Zur Erinnerung an Jene schrecklichen Tage errichteten fromme Einwohner am stillen Waldesrand einen Bildstock, der im Volksmund das Schwedenkreuz heißt.
Gew.: Winkler Martha. Aufz.: Walter Landertshammer, 1952. |
3 DIE SCHIFFERSÄULE VON EMMERSDORF Im neuen Friedhofe zu Emmersdorf, der im Jahre 1807 in der Nälie der Pfarrkirche angelegt wurde, befindet sich eine Steinsäule, an die sich folgende Sage knüpft: Schiffsleuten, die in Emmersdorf übernachteten, wurde ihr Kehlheimer fortgeschwemmt. Wie durch ein Wunder landete das führerlose Schiff wohlbehalten im Donauarm zu Schallemmersdorf Die Ruderknechte liehen aus Dankbarkeit eine Steinsäule errichten, die von diesem Ereignis Kunde gibt.
Gew.: Emperer Heinrich. Aufz.: Dr. Plöckinger, Krems, 1931. |
4 DAS MELKER KREUZ
Das, kostbarste Heiligtum des Stiftes Melk ist das Melker Kreuz, welches wundervoll aus Gold und Edelsteinen gearbeitet ist und einen großen Splitter vom Kreuze Christi enthält, der noch sichtbare Spuren des heiligen Blutes zeigt. Dieses Kreuz gehörte einst zum Königsschatze Stefan des Heiligen von Ungarn. König Ava schenkte es aber im Jahre 1045 dem Markgrafen Adalbert dem Siegreichen von Österreich, um ihn für den Frieden zu gewinnen. Dieser übergab das Geschenk in feierlicher Weise dem Gotteshause zu Melk. Viele Gläubige kamen, um das wertvolle Erinnerungsstück zu verehren. Dessen Kostbarkeit verleitete aber einen fremden Geistlichen, namens Rupert, einen Gottesraub zu begehen. Das Stift und seine weite Umgebung waren darob in tiefster Trauer, alles flehte ohne Unterlaß zum Himmel um Wiedererlangung. Doch das Kreuz schien verloren. Nach geraumer Zeit verbreitete sich die Kunde, es befinde sich im Schottenkloster zu Wien. Abt Sieghart von Melk reiste bei Erhalt der Kunde sofort dahin und verlangte entschlossen den Schatz seines Klosters zurück. Aber nicht nur die Schottenmönche und die Bürger von Wien, sondern auch der damals herrschende Markgraf verweigerten ihm das heilige Kreuzstück, da es alle gern in Wien gehabt hätten. Weil aber der Melker Abt nicht von seiner Rückforderung abließ, wurden Schiedsrichter gewählt, die sich dahin aussprachen, daß der strittige Schatz zwischen
beide Äbte gestellt werden solle. Jener werde als rechtmäßiger Besitzer gelten, welchem sich das Kreuz ohne menschliche Hilfe nähern würde. Man verrichtete zunächst ein Gebet, dann wurde alles bereit gemacht und tatsächlich geschah das Wunder, daß jenes, von einer geheimen Kraft bewegt, sich gegen den Melker Abt wendete und sich sogar in seine Hand hineinschwang. Da also der Himmel durch die Wunderprobe gesprochen hatte, vermeinte der Abt die Sache erledigt. Die Wiener erklärten aber, das Kreuz habe sich zu Abt Sieghard nur deshalb gewendet, weil er selbst so heilig und verdienstvoll sei. Es müsse daher ein anderes Los zeigen, ob es auch ins Kloster selbst hinauf wolle. Man vereinbarte nunmehr, das Kreuzstück mit seinem wertvollen Behälter solle auf ein Donauschifflein gegeben werden. Schwimmt das Schifflein von selbst stromauf, so ist Meik der Eigentümer, wird es aber hinabgetragen, dann müsse das Kreuz in Wien bleiben. Wieder geschah das Wunder: Trotz des Schwalles rann der Kahn ohne menschliches Zutun bis Nußdorf hinauf. Nun wagte niemand mehr, die Rechte der Melker streitig zu machen. Unter großer Begleitung des Volkes wurde das heilige Kreuz ins Donauschiff zurückgebracht und nach Melk geschafft.
Aus Dr. Plöckingers "Wachausagen" Nr. 9 / S. 15--2o. |
5 DAS BISCHOFSKREUZ BEI MELK Einst lebte zu Melk im Stifte einhoher Kirchenfürst, der infolge schwerer Sünden streng bewacht und in Haft gehalten wurde. Alle Tage durfte er Jedoch auch außerhalb des Klosters seine Spaziergänge machen. Eines seiner Lieblingsplätzchen war die Stelle, wo sich heute das grolle schöne schmiedeeiserne Kreuz erhebt, das im Volke Bisdhofskreuz genannt wird. Sehr lange lebte vor hundert Jahren der fromme, sein Volk liebende Mann, der aber dem Kaiser unliebsam war, zu Melk. Da ging er eines Tages wieder zu Jener Stelle, die er so gerne aufsuchte und von der er sehnsüchtig seine Blicke weit in die Ferne nach dem Süden schweifen lassen konnte. Still saß er in Gedanken versunken auf der Bank, die man für ihn errichtet hatte, und richtete wieder den Blick in die Ferne. Tränen rannen über seine Wangen und die Hand, welche die Augen beschattete, sank ihm ermüdet auf sein Kleid. So saß er lange, schon allzulange. Der Begleiter trat an ihn heran und mahnte daher zum Heimgang. Doch der Bischof rührte sich nicht. Als er sich nach nochmaliger Mahnung nicht von der Stelle rührte, wollte ihm der Diener die Hand reichen. Aber es war vergebens. Sein Herr war tot. - Aus Gram über seine Haft fern der Heimat war ihm das Herz gebrochen. Die übergroße Liebe zu seinem Volk und seiner Heimat hatte ihn aus Sehnsucht dahin nach der Meinung der Leute aufgezehrt. Als Andenken wurde an der Stelle seines Todes ein schönes, großes schmiedeeisernes Kreuz errichtet, das noch heute das Bischofskreuz heißt.
Gew.: Heinrich Draskowitz, Melk. Aufz.: Dr. H, Plöckinger, Krems (1936) |