Titelseite Geschichte und Sagen des Kremser Bezirkes, Heft 1

Geschichten und Sagen
des Kremser Bezirkes
1.


Teil 1


von Vorwort bis Sage 5


V o r w o r t

    Die vorliegende Sammlung "Geschichten und Sagen des Bezirkes Krems" verdankt ihre Entstehung der Mitarbeit der Lehrer und Schüler in den einzelnen Orten des Bezirkes. Nach mühevoller Arbeit und Überwindung gewisser Schwierigkeiten kann nun das 1. Heft dieser Sammlung in Druck erscheinen. Dafür sage ich Herrn Hauptschullehrer Rudolf R i e d e l und seinen Mitarbeitern herzlichen Dank. Möge dieses Heft und alle weiteren bei Jung und Alt eine freundliche Aufnahme finden und mithelfen, die Liebe zur engeren Heimat und ihrer Vergangenheit lebendig erhalten.

Reg. Rat Franz  P e r n a u e r,
Bezirksschulinspektor.

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KREUZ AM WEGE

Kreuz am Wege . . .
Was willst du uns künden?
Mahnmal willst du sein an längst vergangene Zeiten!
Du sahst der Menschen viele auf dem Wege Schreiten,
An dem du stehst.

Dein Standplatz sah viel Leid und Not, bitteren Tod,
Sah der Feinde grimme Scharen, die einst im Lande waren,
Sah Feuer und Gespenst, sah frommer Leute mutiges Gebaren,
In Freud und Leid, in längst vergangenen Tagen.---
So sprichst du Stumm, du Sinnbild unseres Glaubens.
Gar mancher achtet deiner, doch viele sehn dich nicht. ---

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*

    Was will das Kreuz, das am Wege steht?
    Es will dem Wanderer, der vorübergeht,
    Das große Wort des Trostes sagen:
    Der Herr hat deine Schuld getragen.

    Was will das Kreuz, das am Wege steht?
    Es will dem Wanderer, der vorübergeht,
    Das große Wort der Weisheit sagen:
    Du sollst dem Herrn dein Kreuz nachtragen.

    Was will das Kreuz, das am Wege steht?
    Es will dem Wanderer, der vorübergeht,
    Das große Wort der Hoffnung sagen:
    Das Kreuz wird dich zum Himmel tragen.

    (Verfasser unbekannt)

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1

DAS SPRECHENDE KRUZIFIX

    Auf Burg Lichterfels am Kamp lebte einst ein Ritter, der einmal, betrübt über den Tod seiner Frau, in der Burgkapelle betete. Da war es ihm, als ob das Kruzifix am Altare zu ihm gesagt hätte, daß er in das Kloster Zwetll als Mönch eintreten solle. Er folgte der Stimme Gottes, die aus seinem Gewissen sprach. Da er aber nicht lesen noch schreiben konnte, fand er nur als dienender Bruder Aufnahme. Darüber wurde er traurig. Und als einmal in der Versammlung der Mönche der fromme Ritter nachdachte, ob er denn in seiner Niedrigkeit Gott ebenso lieb sei als die anderen, da bemerkte er über dem Haupte eines Jeden Mitbruders und auch über seinem einen hellen Schein. Darüber empfand er solchen Trost, daß er bis an sein Lebensende als Laienbruder im Kloster, zu Zwettl Gott diente.


Aus Kisslings "Frau Saga" 11/19/21.

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2

DAS SCHWEDENKREUZ VON MORITZREITH

    Am Ende des Dreißigjährigen Krieges brach ein versprengter Schwedentrupp wie ein furchtbares Gewitter über den bisher verschont gebliebenen Ort Moritzreith herein. Vermutlich suchten diese verwegenen Scharen noch unberührte Gegenden auf ihrem Wege vom nordwestlichen Waldviertel zur Donau auf. Vom ganzen einstigen Markt konnten nur einzelne stattliche Höfe deim Überfall standhallen. Die grolle Zahl der kleinen Höfe fiel der Raublust des wilden Haufens zum Opfer. So sank der weitaus größte Teil des Marktes in Schutt und Asche. Wer sich nicht durch die Flucht retten konnte, kam ums Leben. Von ihrem grausamen Tagewerk erschöpft, schlugen die Schweden in der Nähe ihr Lager auf. Der flackernde Schein ihrer .Feuer erweckte den Anschein, daß ihre Greueltaten am nächsten Tage ihre Fortsetzung finden könnten. Der Schreck saß den Überlebenden von Moritzreith noch in den Gliedern. Und so trieb sie die Furcht, ein gleiches Schicksal zu erleiden, im Schutze der Nacht von Haus und Hof. Tatsächlich kehrten am nächsten Morgen einige habgierige Schweden zu den noch schwelenden Trümmern des Marktes zurück und fanden zu ihrer Überraschung die am Vortag unbezwungen gebliebenen Höfe verlassen. Zusammen mit ihren rasch herbeigerufenen Gesellen setzten sie die Plünderung fort und vollendeten die Zerstörung. Nach Abzug der Schweden war der höher gelegene Teil des Ortes zur Gänze dem Erdboden gleichgemacht. Noch heute bedecken nur magere Wiesen den Abhang, wo vereinzelte Föhren das öde Bild beleben. Und wenn nach heftigen Gewitterregen die niederrauschenden Wassermassen den Boden aufreißen oder der Pflug die Erde aufbricht, stößt man hie und da auf Geräte und Mauerwerk, die die Kunde aus Jener Zeit bestätigen. Der tiefer gelegene Teil' der Siedlung wurde später wieder aufgebaut und bewohnt. Zur Erinnerung an Jene schrecklichen Tage errichteten fromme Einwohner am stillen Waldesrand einen Bildstock, der im Volksmund das Schwedenkreuz heißt.


Gew.: Winkler Martha. Aufz.: Walter Landertshammer, 1952.

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3

DIE SCHIFFERSÄULE VON EMMERSDORF

    Im neuen Friedhofe zu Emmersdorf, der im Jahre 1807 in der Nälie der Pfarrkirche angelegt wurde, befindet sich eine Steinsäule, an die sich folgende Sage knüpft: Schiffsleuten, die in Emmersdorf übernachteten, wurde ihr Kehlheimer fortgeschwemmt. Wie durch ein Wunder landete das führerlose Schiff wohlbehalten im Donauarm zu Schallemmersdorf Die Ruderknechte liehen aus Dankbarkeit eine Steinsäule errichten, die von diesem Ereignis Kunde gibt.


Gew.: Emperer Heinrich. Aufz.: Dr. Plöckinger, Krems, 1931.

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4

DAS MELKER KREUZ

    Das, kostbarste Heiligtum des Stiftes Melk ist das Melker Kreuz, welches wundervoll aus Gold und Edelsteinen gearbeitet ist und einen großen Splitter vom Kreuze Christi enthält, der noch sichtbare Spuren des heiligen Blutes zeigt. Dieses Kreuz gehörte einst zum Königsschatze Stefan des Heiligen von Ungarn. König Ava schenkte es aber im Jahre 1045 dem Markgrafen Adalbert dem Siegreichen von Österreich, um ihn für den Frieden zu gewinnen. Dieser übergab das Geschenk in feierlicher Weise dem Gotteshause zu Melk. Viele Gläubige kamen, um das wertvolle Erinnerungsstück zu verehren. Dessen Kostbarkeit verleitete aber einen fremden Geistlichen, namens Rupert, einen Gottesraub zu begehen. Das Stift und seine weite Umgebung waren darob in tiefster Trauer, alles flehte ohne Unterlaß zum Himmel um Wiedererlangung. Doch das Kreuz schien verloren. Nach geraumer Zeit verbreitete sich die Kunde, es befinde sich im Schottenkloster zu Wien. Abt Sieghart von Melk reiste bei Erhalt der Kunde sofort dahin und verlangte entschlossen den Schatz seines Klosters zurück. Aber nicht nur die Schottenmönche und die Bürger von Wien, sondern auch der damals herrschende Markgraf verweigerten ihm das heilige Kreuzstück, da es alle gern in Wien gehabt hätten. Weil aber der Melker Abt nicht von seiner Rückforderung abließ, wurden Schiedsrichter gewählt, die sich dahin aussprachen, daß der strittige Schatz zwischen beide Äbte gestellt werden solle. Jener werde als rechtmäßiger Besitzer gelten, welchem sich das Kreuz ohne menschliche Hilfe nähern würde. Man verrichtete zunächst ein Gebet, dann wurde alles bereit gemacht und tatsächlich geschah das Wunder, daß jenes, von einer geheimen Kraft bewegt, sich gegen den Melker Abt wendete und sich sogar in seine Hand hineinschwang. Da also der Himmel durch die Wunderprobe gesprochen hatte, vermeinte der Abt die Sache erledigt. Die Wiener erklärten aber, das Kreuz habe sich zu Abt Sieghard nur deshalb gewendet, weil er selbst so heilig und verdienstvoll sei. Es müsse daher ein anderes Los zeigen, ob es auch ins Kloster selbst hinauf wolle. Man vereinbarte nunmehr, das Kreuzstück mit seinem wertvollen Behälter solle auf ein Donauschifflein gegeben werden. Schwimmt das Schifflein von selbst stromauf, so ist Meik der Eigentümer, wird es aber hinabgetragen, dann müsse das Kreuz in Wien bleiben. Wieder geschah das Wunder: Trotz des Schwalles rann der Kahn ohne menschliches Zutun bis Nußdorf hinauf. Nun wagte niemand mehr, die Rechte der Melker streitig zu machen. Unter großer Begleitung des Volkes wurde das heilige Kreuz ins Donauschiff zurückgebracht und nach Melk geschafft.
    Ein zweites Mal kam das Stift Melk im Jahre 1362 ob seines köstlichen Schatzes in schwerste Sorge. Herzog Rudolf IV. ließ damals gerade für das heilige Erinnerungsstück an das Leiden Christi zu Wien das Kreuz als Behälter anfertigen, welches wir heute noch bewundern. Die Reliquie war unterdessen in bloßem Papier in der Sakristei verwahrt. Zu dieser machte sich aber ein wohlgeschätzter Gast des Klosters, der reiche Bürger Otto Grimsinger von Emmersdorf, einen Schlüssel und entwendete am Abend des 10. November, während alle Mönche beim Chorgebete versammelt waren, sowohl das heilige Kreuzholz wie auch verschiedene Goldgefäße und eine Infel. Von ihr schnitt er den wertvollen Zierat ab und warf das Übrige in die vermeintliche Zelle des Priors. Mit seinem Raube eilte der Grimsinger zur Donau. In dem bereitgehaltenen Kahne kam er gegen Schönbühel, konnte aber auf einmal nicht mehr von der Stelle. Er hätte donauabwärts fliehen wollen, war aber froh, mit aller Mühe wenigstens ans andere Ufer zu kommen. Die geraubten Schätze verbarg Grimsinger im eigenen Hause. Indessen entdeckte der die Sakristei verwaltende Bruder Bernhard den ruchlosen Diebstahl. Große Bestürzung herrschte darüber im ganzen Stifte. Die Kunde hievon verbreitete sich weit herum. Im angesehenen Otto Grimsinger vermutete zwar niemand den Dieb. In seiner Gewissensangst glaubte dieser aber, der Entdeckung zu entgehen, wenn er andere verdächtige. Er ließ deshalb vom Emmersdorfer Schreiber Peter einen Brief schreiben, worin der Prior des Diebstahls beschuldigt wurde, denn in seiner Zelle sei die Infel zu finden. Dieses Schreiben warf Grimsinger selbst einem Klosterdiener mit verstellter Stimme durchs Fenster in die Stube, der es dem Abte überbringen sollte. Das geschah und sogleich wurde auch des Priors Gemach durchsucht. Hier fand sich gar nichts, wohl aber in einer Kammer in der Nähe, welche eben der Dieb für dessen Zelle gehalten, lag die Infel. Zufällig sah den Brief ein Diener des Emmersdorfer Zöllners, der ihn als von der Hand des Schreibers Peter hergestellt erkannte. Dieser wurde festgenommen und in das Gefängnis des Schlosses Weitenegg geworfen. Er bekannte sofort, daß ihn Grimsinger dazu angestiftet hatte und daß der den Diebstahl begangen.
    Kaum hatte der Räuber von des Schreibers Gefangennahme gehört, so versteckte er das gestohlene Gut recht sorgfältig in seinem Hause, das heilige Kreuz aber verwahrte er unter seinem Hemde und wanderte damit heimlich in finsterer Nacht gegen Böhmen zu, da er es dem Kaiser Karl in Prag übergeben wollte. Schon war Otto Grimsinger bis in die Kirche von Maria Laach gekommen, da fühlte er sich ganz entkräftet und von unsichtbarer Gewalt zurückgehalten. Dreimal versuchte er vergebens den Weitermarsch. Nun warf er sich in bitterer Reue vor dem Altare nieder und weinte. Hierauf gab er das Kreuzstück unter den Altarstein. Jetzt konnte er sieh wohl wieder entfernen, aber aus dem Bezirke ließ ihn eine geheimnisvolle Macht doch nicht heraus. Weil der Zöllner von Emmersdorf und sein Bruder als des durch die Verdächtigung schwer gekränkten Priors Freunde nach ihm scharf ausspähten, konnte er sich nur ganz verborgen herumtreiben und bloß ab und zu in aller Heimlichkeit in seinem Hause Aufenthalt nehmen, wo seine Schwester wirtschaftete. Auch auf diese gab man genau acht. Eines Tages wurde beobachtet, daß sie viel mehr Fische eingekauft hatte, als eine Frau allein essen könne; sofort vermutete man den Bruder als Gast. Der Zöllner und sein Bruder umstellten mit mehreren Weitenegger Kriegsleuten das Haus, drangen ein und fanden den Grimsinger nach langem Suchen in der Scheuer unter Stroh in einer Grube. Zunächst wurde er nach Weitenegg ins Gefängnis gebracht und dort verhört. Er gab sein Verbrechen zu, nannte aber kein Versteck. Gefesselt wurde er wieder in sein Haus geführt, wo er alle Verstecke zeigte. Bloß das heilige Kreuzstück fand sich nicht, dessen Diebstahl er immer leugnete. Als ihm am nächsten Tage die Folter angedroht wurde, bat er selbst, ihn nach Maria Laach zu führen. Hier ging der Grimsinger nur mit Hermann, dem Weitenegger Schreiber, in die Kirche. Selbst von ihm unbemerkt, wußte er das Verborgene in seine Haube zu bringen, da er durch dessen Wunderkraft sich noch immer Rettung für sich erhoffte. Hermann merkte dann doch, daß in die Haube etwas hineingekommen sei. Er zwang ihn, dieses auf den Altar zurückzulegen, und rief die übrigen in die Kirche. Darunter waren zwei Melker Mönche, welche sofort das Kreuzstück erkannten und ehrerbietig übernahmen. Der Abt mit allen Mönchen sowie eine große Volksmenge war ihnen bei der Rückkehr entgegengekommen. Sie übergaben ihm den geretteten Schatz, der am 6. Dezember in feierlichem Zuge unter dem Geläute aller Glocken an seinen alten Platz zurückgetragen wurde. Otto Grimsinger mußte am 29. Dezember 1362 wegen Gottesraubes auf dem Scheiterhaufen sein Leben enden. Seinem Mithelfer, dem Schreiber Peter, schenkte man zwar das Leben und die Freiheit, verwies ihn aber bei Todesstrafe aus der Heimat. Da er trotzdem wieder zurückkehrte und dabei erwischt wurde, mußte der Arme den Galgentod erleiden.
    Vom Melker Kreuze behauptet das Volk übrigens noch, daß es so wertvoll sei, daß man aus dem Erlöse das ganze Stift mit so viel Fenstern, als das Jahr Tage habe, neu erstehen lassen könne.


Aus Dr. Plöckingers "Wachausagen" Nr. 9 / S. 15--2o.

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5

DAS BISCHOFSKREUZ BEI MELK

    Einst lebte zu Melk im Stifte einhoher Kirchenfürst, der infolge schwerer Sünden streng bewacht und in Haft gehalten wurde. Alle Tage durfte er Jedoch auch außerhalb des Klosters seine Spaziergänge machen. Eines seiner Lieblingsplätzchen war die Stelle, wo sich heute das grolle schöne schmiedeeiserne Kreuz erhebt, das im Volke Bisdhofskreuz genannt wird. Sehr lange lebte vor hundert Jahren der fromme, sein Volk liebende Mann, der aber dem Kaiser unliebsam war, zu Melk. Da ging er eines Tages wieder zu Jener Stelle, die er so gerne aufsuchte und von der er sehnsüchtig seine Blicke weit in die Ferne nach dem Süden schweifen lassen konnte. Still saß er in Gedanken versunken auf der Bank, die man für ihn errichtet hatte, und richtete wieder den Blick in die Ferne. Tränen rannen über seine Wangen und die Hand, welche die Augen beschattete, sank ihm ermüdet auf sein Kleid. So saß er lange, schon allzulange. Der Begleiter trat an ihn heran und mahnte daher zum Heimgang. Doch der Bischof rührte sich nicht. Als er sich nach nochmaliger Mahnung nicht von der Stelle rührte, wollte ihm der Diener die Hand reichen. Aber es war vergebens. Sein Herr war tot. - Aus Gram über seine Haft fern der Heimat war ihm das Herz gebrochen. Die übergroße Liebe zu seinem Volk und seiner Heimat hatte ihn aus Sehnsucht dahin nach der Meinung der Leute aufgezehrt. Als Andenken wurde an der Stelle seines Todes ein schönes, großes schmiedeeisernes Kreuz errichtet, das noch heute das Bischofskreuz heißt.


Gew.: Heinrich Draskowitz, Melk. Aufz.: Dr. H, Plöckinger, Krems (1936)

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Diese Seite wurde am 22. September 2001 erstellt.