Titelseite Geschichte und Sagen des Kremser Bezirkes, Heft 6

Geister Feen Nixen
Heft Nr. 6 (Doppelheft)

Teil 1

von Gedicht und
Sage 75 bis Sage 80


GESTALTEN  DER  NACHT

Ein Hauswirt, wie man mit erzählt,
Ward lange durch ein Gespenst gequält.
Er ließ, des Geistes sich zu erwehren,
Sich heimlich das Verbannen lehren;
Doch kraftlos blieb der Zauberspruch.
Der Geist entsetzte sich vor keinen Charakteren
Und gab in einem weißen Tuch
Ihm alle Nächte den Besuch.

Ein Dichter zog in dieses Haus.
Der Wirt, der bei der Nacht nicht gern allein gewesen,
Bat sich des Dichters Zuspruch aus
Und ließ sich seine Verse lesen.
Der Dichter las ein frostig Trauerspiel.
Das, wo nicht seinem Wirt, doch ihm sehr wohl gefiel.

Den Geist, den nur der Wirt, doch nicht der Dichter sah,
Erschien unb hörte zu: Es fing ihn an zu schauern,
Er konnt es länger nicht als einen Auftritt dauern;
Denn, eh der andere kam, so war er nicht mehr da . . .

Der Wirt, von Hoffnung eingenommen,
Ließ gleich die andere Nacht den Dichter wiederkommen.
Der Dichter las; der Geist erschien,
Doch ohne lange zu verziehn.
Gut! Sprach der Wirt bei sich, dich will ich bald verjagen,
Kannst bu die Verse nicht vertragen.

Die dritte Nacht blieb unser Wirt allein.
Sobald es zwölfe schlug, ließ das Gespenst sich blicken;
Johann! fing drauf der Wirt gewaltig an zu schreien,
Der Dichter (lauft geschwind!) soll von der Güte sein
Und mit sein Trauerspiel auf eine Stunde schicken.
Der Geist erschrak und winkte mit der Hand,
Der Diener sollte ja nicht gehen.
Und kurz, der weiße Geist verschwand
Und ließ sich niemals wieder sehn.

Frdr. v. Hagedorn.

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75

DIE TOTEN KRIEGER VOM ARMATS-
WALD

    Im Armatswalde am Jauerling wurde einst eine Schlacht geschlagen, die in einer Sage durch das Volk überliefert wird. So erzählt man:

    Als die Kufsteiner das weite Gebiet des Jauerlings ihr Eigen nannten, trug es sich zu, daß im Armatswalde dem Feinde eine Schlacht geliefert wurde, die sehr verlustreich für diesen war. Viele Soldaten verloren daselbst ihr Leben und fanden hier auch ihr Grab. Man verscharrte sie an Ort und Stelle, nachdem der Kampf beendet war. Da sie nicht in geweihter Erde lagen und ihr kriegerisches Leben der Untaten gar viele aufzuweisen hatte, fanden sie im Grabe keine Ruhe. Der einsame Wanderer, der an den Gräbern vorüber mußte, vernahm dort Waffenlärm und Geschrei sowie Pferdegetrappel. Aber oft gingen übermütige Burschen an der Stelle der Kriegsgräber im Armatswalde vorüber, die in jugendlichem Leichtsinn den Kriegern die ewige Ruhe störten.

    So geschah es einmal, daß Jungmänner vom Tanz in Maria Laach nach Hause gingen. Da sie zur Mitternachtsstunde durch den Armatswald mußten, war es ihnen so schon gar sonderlich zu Mute und sie suchten durch Lärmen und Singen ihre Furcht etwas zu verbergen. Als sie zu den Gräbern kamen, sang ein Bursche: „Auf, auf ihr Ulana, es krahn schon die Hahna“. Kaum hatte er mit diesem Spottlied auf die toten Reiter geendet, so erhob sich im weiten Armatswald ein schrecklicher Schlachtenlärm, Pferdegetrappel und gellende Rufe. Nun sank den tapferen Gesellen der Mut und sie liefen, was sie die Füße tragen konnten. In feiger Furcht rannten sie aus dem Walde heimwärts nach Spitz.


Gew.: Honig Margarete. Aufz.: Erich Schöner, Spitz (1952).

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76

SCHWEDENGRÄBER AM
JAUERLING

    Der höchste Berg der Wachau wird von vielen Sagen umwoben. Jedes Ereignis hat seinen Niederschlag in einem mündlichen Bericht des Volkes gefunden. So erzählt man vor allem über die vielen kriegerischen Ereignisse, welche den Jauerling zum Schauplatz hatten, manche Sage.

    Als die Schweden ins Land kamen, tobten zwischen den kaiserlichen Kriegsscharen und den Feinden heftige Kämpfe. Die Schweden drangen bis zur Donau vor und kamen auch in die Gegend des Jauerling. Die Soldaten des Reiches lieferten den Scharen Torstensons an allen Ecken und Enden Schlachten, Gefechte und Plänkeleien. Der landesunkundige Feind geriet oft in Hinterhalte und fiel in einsamen Wäldern, auf Bergen und in Tälern. So geschah es auch am Jauerling, daß ein versprengter Schwedentrupp in einen Hinterhalt geriet und niedergemacht wurde. Die Gefallenen wurden verscharrt und das Volk behielt ihre Gräber lange Zeit im Gedächtnis. So finden sich bei Zeissing am Jauerling Schwedengräber, in denen es gar sonderbar rumorte, wenn man vorüberging und herausfordernd den Toten zurief: „Auf, auf ihr Ulana, es krahn schon die Hahna!“ Da vernahm der Rufer sehr oft im Grabe der Schweden ein Rasseln der Säbel, ein Rumoren und Murmeln. Hörte er dies, so mußte er schnell trachten, rechtzeitig den schützenden Frieden eines Hauses zu erreichen, wenn ihm sein Heil am Herzen lag. Tat er dies nicht und erreichte er nicht die Dachtraufe eines Hauses, so konnte er sich der Rache der Toten nicht erwehren, und den Frevler war unweigerlich verloren.


Gew.: Kausl Barbara, Spitz-Laaben. Aufz.: Erich Schöner, Spitz (1952).

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77

DER UNFEHLBARE DIEBFÄNGER

    Zeit der Fruchtreife war schon lange vorüber, aber manche Bauern hatten ihre letzten Früchte, die Kartoffeln, noch nicht abgeerntet. Darum konnte der Feldhüter Jechtl aus Schwallenbach, der ein sehr pflichtbewußter Hüter war, seinen Dienst noch nicht beenden. Er spähte seine anvertrauten Fluren ab, vergewisserte sich, daß alles in Ordnung sei und schlüpfte dann an einem Abend bei seinem Freund ins Haus, um beim Federschleißen zu helfen. Man redete bald von dem und bald von dem, als plötzlich der Säbel des Feldhüters, den er neben sich auf die Ofenbank gelegt hatte, von selbst zu klirren begann. Ja, er sprang sogar von der, Bank herab auf den Fußboden. Nun nahm der Feldhüter seinen Säbel und trat vor das Haus. Dort angelangt, wandte er sich jener Richtung zu, die ihn der Säbel wies. Er suchte in jener Richtung die Flur ab und erwischte tatsächlich einen Dieb, den er nun stellte. So hatte ihm der Säbel schon manche Dienste geleistet.

    Aber er hatte noch einen anderen treuen Weiser. Einst hatte er um Mitternacht einen Totenkopf ausgegraben, der die sonderbare Eigenschaft besaß, seinem Finder die geheimnisvollsten Dienste zu leisten. So half ihm der Geist, der einst den Leib beseelte, stets die Fluren hüten. Viele Jahre waren so der Feldhüter und der Säbel sowie der Totenkopf treue Verbündete im Dienste der Bauern. Doch was half das alles, wenn der gewissenhafte Feldhüter alt und gebrechlich wurde. Er konnte zwar die Diebe stellen, aber sie entliefen ihm Jahr für Jahr immer in größerer Zahl. Da wurde nun der gute Jechtl amtsmüde und gab sein Amt auf. Nun wurde ihm der treue Wegweiser, der Totenschädel, zur wahren Qual, denn er ließ ihm keine ruhige Minute. Er gab ihn deshalb dem Totengräber am Friedhofe zurück, der ihn dortselbst in geweihter Erde bestattete. Der Flurhüter lebte nun in Ruhe und Frieden, bis ihn der Tod abberief. In Schwallenbach blieb er aber lange Zeit als unfehlbarer Diebfänger in guter Erinnerung.


Gew.: Rudolf Thorwartl, Schwallenbach. Aufz.: Dr. H: Plöckinger Krems 1925.

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78

DER TOTENKOPF IN DER TRUHE

    Der alte Totengräber Thomas hob am Friedhofe für den alten Wögererbauern die Grube aus, in der er nun von des Lebens Sorgen und Mühen ausruhen sollte. Da kam der Grafen-Sepp des Weges, blieb bei ihm stehen und sah in die Grube hinab, wo sich der Totengräber mühte. Ja er konnte sich noch recht gut an den Richard erinnern, der einst der stärkste Bursch im Orte gewesen war, und den man hier einst zur letzten Ruhe bestattet hatte. Als man von seinem Grabe wegging, spielte, seinem letzten Wunsche entsprechend, die Musik das Marschlied „Mein Herz, das ist ein Bienenhaus, die Mädchen sind darin die Bienen“. Ja, das war ein Bursch gewesen. - Da stocherte gerade der Thomas dessen Schädel aus den vermorschten Brettern des Sarges heraus. Graf überkam der Wunsch, des Richard Kopf noch einmal in Händen zu halten. Er bat den Thomas, ihm den Kopf heraufzureichen. Dieser gab ihn dem Sepp herauf. Dieser hielt ihn nun lange in Händen und bewunderte die noch im Tode schönen Zähne seines einstigen Freundes. Und da der Totengräber nichts dagegen hatte, nahm er den Schädel des Freundes an sich und trug ihn heim. Er verwahrte ihn in seiner Truhe, denn er wollte öfters mit ihm in stiller Stunde Rücksprache pflegen. Er versperrte sie und nahm den Schlüssel an sich. Seine Frau sollte nicht um sein Geheimnis wissen. Des ändern Tages mußte er nach Krems, um dortselbst einige Tage zu arbeiten. Als nun die Frau allein war, begann es am Abend des Abreisetages in der Truhe zu poltern. Dies kam dem Weib des Mannes merkwürdig vor, da sie keine Ahnung von dem verwahrten Totenkopf hatte. Weil sie auch keinen Schlüssel zur Truhe fand, mußte sie allnächtlich den unheimlichen Lärm ertragen. Sie war glücklich, als ihr Mann wieder daheim war. Sie berichtete ihm von dem Gepolter. Graf beeilte sich, die Truhe zu öffnen, und da vernahm er aus dem Totenkopf die Worte: „Dein Glück, daß ich ein guter Geist bin; wäre ich ein böser Geist, erginge es dir schlecht!“ Der Mann trug den Schädel sofort auf den Friedhof und hatte wieder seine Ruhe.


Mailly, n.ö. Sagen, Nr. 6.

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79

DER TOTENKOPF AN DER HAND

    Herbst war es geworden und wie alle Jahre feierte man das Totenfest. Die Leute trugen die schönen Totenblumen, die Chrisanthemen, welche sie sorgsam vor dem Froste geschützt hatten, auf den Friedhof, um das Grab ihrer toten Anverwandten zu schmücken. Die Gräber glichen in ihrem Schmuck herrlichen Blumenbeeten. Da geschah es, daß Frau Theres Braun mit ihrem kleinen Söhnchen Josef gleichfalls auf den Friedhof ging. Die Mutter führte den Knaben an der Hand und im Vorübergehen riß der Kleine von einem Grabe eine Totenblume ab. Der Bub hielt das Blümchen in Händen. Da schrie die Mutter plötzlich gellend auf, denn sie verspürte Schmerz in ihren Fingern. Als sie auf die Hand blickte, hing an ihren Fingern ein Totenschädel, der sich nicht abschütteln ließ. Auch der kleine Josef erschrak gewaltig, als er an der Hand der Mutter dieses schreckliche Ding gewahrte. Die Mutter des Knaben bemühte sich immerzu, den Totenkopf von ihrer Hand zu entfernen. Doch alles blieb erfolglos. Der Knabe schmiegte sich furchtsam an seine Mutter und weinte. Da ließ er die Blume aus dem Händchen fallen. Sie fiel auf den Grabhügel, von dem er sie gepflückt hatte. Im selben Augenblick war auch der Schädel von der Hand seiner Mutter verschwunden. Die Frau hatte aber an den Fingern eine arge Schnittwunde davongetragen, die lange Zeit nicht heilte, und die Mutter des Kindes zwang, die Wunde verbunden zu halten. Klein Josef aber schwor seiner Mutter, daß er nie mehr von einem Grabe ein Blümchen abreißen werde, denn er wollte den Toten keine einzige Blüte mehr nehmen.

Gew.: Margarete Braun, Elsarn am Jauerling. Aufz.: Schulleitung Niederranna (1952).

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80

DIE WETTE UM DEN TOTENKOPF

    Am Wirtshaustisch im Gasthofe zu Mühldorf ging es hoch her. Viele Burschen des Ortes prahlten mit ihrer Furchtlosigkeit und konnten sich der bereits begangenen Heldentaten nicht genug erzählen. Da wollte einer, dem man nicht recht Glauben schenken wollte, sogar den Beweis anbieten, daß er furchtlos alles tue, was die andern von ihm haben wollten. Man wollte es nicht glauben, daß er so mutig sei, als er tat. Da schlug der Wagemutige sogar eine Wette vor. Er meinte zu jenem, der der größte Zweifler an seiner Unerschrockenheit war: „Wenn du mir einen Liter Wein zahlst, so gehe ich in die Klosterkirche von Unterranna und hole dir einen Totenkopf.“ Gesagt, getan. Der andere Bursch willigte nun ein und ging zum Wirt, um den Wein zu bestellen. Einstweilen machte sich der wagemutige Bursche auf den Weg um den Schädel. Er ging in das öde Gemäuer der Klosterkirche von Unterranna, suchte dortselbst nach einem Kopf, und als er einen gefunden hatte, machte er sich auf dem Weg zum Wirtshaus. Als er jedoch am „W e i ß e n   K r e u z “, das auf dem Wege dahin stand, vorüber wollte, war ihm augenblicklich ganz angst und bange, denn der kahle Totenschädel fing plötzlich zu sprechen an. Er sagte: „Trage mich sofort wieder zurück, sonst ist es um dich geschehen!“ Vom Grauen, das ihm kalt über den Rücken lief, geschüttelt, rannte er, so schnell ihn seine Füße zu tragen vermochten, in das öde Kloster zurück. Dort angekommen, warf der Bursche den Schädel weg und eilte noch schneller als er gekommen von dannen, zurück in die Schenke. Als er erschöpft und verstört ohne Totenschädel dortselbst anlangte, rann ihm der Schweiß von der Stirne. Ob seiner Feigheit und Furchtsamkeit wurde er nun von den andern ausgiebig verlacht und gehänselt. Seit dieser Zeit ließ er sich nicht mehr im Gasthause sehen.


Gew.: Leopold Mülter, Niedernanna. Aufz: Die Schulleitung Niederranna (1952).

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Diese Seite wurde am 13. April 2003 erstellt.