Geister Feen Nixen
Heft Nr. 6 (Doppelheft)
Teil 1
von Gedicht und
Sage 75 bis Sage 80
GESTALTEN DER NACHT
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75 DIE TOTEN KRIEGER VOM ARMATS- WALD
Im Armatswalde am Jauerling wurde einst eine Schlacht geschlagen, die in einer Sage durch das Volk überliefert wird. So erzählt man:
Gew.: Honig Margarete. Aufz.: Erich Schöner, Spitz (1952). |
76 SCHWEDENGRÄBER AM JAUERLING
Der höchste Berg der Wachau wird von vielen Sagen umwoben. Jedes Ereignis hat seinen Niederschlag in einem mündlichen Bericht des Volkes gefunden. So erzählt man vor allem über die vielen kriegerischen Ereignisse, welche den Jauerling zum Schauplatz hatten, manche Sage.
Gew.: Kausl Barbara, Spitz-Laaben. Aufz.: Erich Schöner, Spitz (1952). |
77 DER UNFEHLBARE DIEBFÄNGER
Zeit der Fruchtreife war schon lange vorüber, aber manche Bauern hatten ihre letzten Früchte, die Kartoffeln, noch nicht abgeerntet. Darum konnte der Feldhüter Jechtl aus Schwallenbach, der ein sehr pflichtbewußter Hüter war, seinen Dienst noch nicht beenden. Er spähte seine anvertrauten Fluren ab, vergewisserte sich, daß alles in Ordnung sei und schlüpfte dann an einem Abend bei seinem Freund ins Haus, um beim Federschleißen zu helfen. Man redete bald von dem und bald von dem, als plötzlich der Säbel des Feldhüters, den er neben sich auf die Ofenbank gelegt hatte, von selbst zu klirren begann. Ja, er sprang sogar von der, Bank herab auf den Fußboden. Nun nahm der Feldhüter seinen Säbel und trat vor das Haus. Dort angelangt, wandte er sich jener Richtung zu, die ihn der Säbel wies. Er suchte in jener Richtung die Flur ab und erwischte tatsächlich einen Dieb, den er nun stellte. So hatte ihm der Säbel schon manche Dienste geleistet.
Gew.: Rudolf Thorwartl, Schwallenbach. Aufz.: Dr. H: Plöckinger Krems 1925. |
78 DER TOTENKOPF IN DER TRUHE Der alte Totengräber Thomas hob am Friedhofe für den alten Wögererbauern die Grube aus, in der er nun von des Lebens Sorgen und Mühen ausruhen sollte. Da kam der Grafen-Sepp des Weges, blieb bei ihm stehen und sah in die Grube hinab, wo sich der Totengräber mühte. Ja er konnte sich noch recht gut an den Richard erinnern, der einst der stärkste Bursch im Orte gewesen war, und den man hier einst zur letzten Ruhe bestattet hatte. Als man von seinem Grabe wegging, spielte, seinem letzten Wunsche entsprechend, die Musik das Marschlied „Mein Herz, das ist ein Bienenhaus, die Mädchen sind darin die Bienen“. Ja, das war ein Bursch gewesen. - Da stocherte gerade der Thomas dessen Schädel aus den vermorschten Brettern des Sarges heraus. Graf überkam der Wunsch, des Richard Kopf noch einmal in Händen zu halten. Er bat den Thomas, ihm den Kopf heraufzureichen. Dieser gab ihn dem Sepp herauf. Dieser hielt ihn nun lange in Händen und bewunderte die noch im Tode schönen Zähne seines einstigen Freundes. Und da der Totengräber nichts dagegen hatte, nahm er den Schädel des Freundes an sich und trug ihn heim. Er verwahrte ihn in seiner Truhe, denn er wollte öfters mit ihm in stiller Stunde Rücksprache pflegen. Er versperrte sie und nahm den Schlüssel an sich. Seine Frau sollte nicht um sein Geheimnis wissen. Des ändern Tages mußte er nach Krems, um dortselbst einige Tage zu arbeiten. Als nun die Frau allein war, begann es am Abend des Abreisetages in der Truhe zu poltern. Dies kam dem Weib des Mannes merkwürdig vor, da sie keine Ahnung von dem verwahrten Totenkopf hatte. Weil sie auch keinen Schlüssel zur Truhe fand, mußte sie allnächtlich den unheimlichen Lärm ertragen. Sie war glücklich, als ihr Mann wieder daheim war. Sie berichtete ihm von dem Gepolter. Graf beeilte sich, die Truhe zu öffnen, und da vernahm er aus dem Totenkopf die Worte: „Dein Glück, daß ich ein guter Geist bin; wäre ich ein böser Geist, erginge es dir schlecht!“ Der Mann trug den Schädel sofort auf den Friedhof und hatte wieder seine Ruhe.
Mailly, n.ö. Sagen, Nr. 6. |
79 DER TOTENKOPF AN DER HAND
Herbst war es geworden und wie alle Jahre feierte man das Totenfest. Die Leute trugen die schönen Totenblumen, die Chrisanthemen, welche sie sorgsam vor dem Froste geschützt hatten, auf den Friedhof, um das Grab ihrer toten Anverwandten zu schmücken. Die Gräber glichen in ihrem Schmuck herrlichen Blumenbeeten. Da geschah es, daß Frau Theres Braun mit ihrem kleinen Söhnchen Josef gleichfalls auf den Friedhof ging. Die Mutter führte den Knaben an der Hand und im Vorübergehen riß der Kleine von einem Grabe eine Totenblume ab. Der Bub hielt das Blümchen in Händen. Da schrie die Mutter plötzlich gellend auf, denn sie verspürte Schmerz in ihren Fingern. Als sie auf die Hand blickte, hing an ihren Fingern ein Totenschädel, der sich nicht abschütteln ließ. Auch der kleine Josef erschrak gewaltig, als er an der Hand der Mutter dieses schreckliche Ding gewahrte. Die Mutter des Knaben bemühte sich immerzu, den Totenkopf von ihrer Hand zu entfernen. Doch alles blieb erfolglos. Der Knabe schmiegte sich furchtsam an seine Mutter und weinte. Da ließ er die Blume aus dem Händchen fallen. Sie fiel auf den Grabhügel, von dem er sie gepflückt hatte. Im selben Augenblick war auch der Schädel von der Hand seiner Mutter verschwunden. Die Frau hatte aber an den Fingern eine arge Schnittwunde davongetragen, die lange Zeit nicht heilte, und die Mutter des Kindes zwang, die Wunde verbunden zu halten. Klein Josef aber schwor seiner Mutter, daß er nie mehr von einem Grabe ein Blümchen abreißen werde, denn er wollte den Toten keine einzige Blüte mehr nehmen.
Gew.: Margarete Braun, Elsarn am Jauerling. Aufz.: Schulleitung Niederranna (1952). |
80 DIE WETTE UM DEN TOTENKOPF Am Wirtshaustisch im Gasthofe zu Mühldorf ging es hoch her. Viele Burschen des Ortes prahlten mit ihrer Furchtlosigkeit und konnten sich der bereits begangenen Heldentaten nicht genug erzählen. Da wollte einer, dem man nicht recht Glauben schenken wollte, sogar den Beweis anbieten, daß er furchtlos alles tue, was die andern von ihm haben wollten. Man wollte es nicht glauben, daß er so mutig sei, als er tat. Da schlug der Wagemutige sogar eine Wette vor. Er meinte zu jenem, der der größte Zweifler an seiner Unerschrockenheit war: „Wenn du mir einen Liter Wein zahlst, so gehe ich in die Klosterkirche von Unterranna und hole dir einen Totenkopf.“ Gesagt, getan. Der andere Bursch willigte nun ein und ging zum Wirt, um den Wein zu bestellen. Einstweilen machte sich der wagemutige Bursche auf den Weg um den Schädel. Er ging in das öde Gemäuer der Klosterkirche von Unterranna, suchte dortselbst nach einem Kopf, und als er einen gefunden hatte, machte er sich auf dem Weg zum Wirtshaus. Als er jedoch am „W e i ß e n K r e u z “, das auf dem Wege dahin stand, vorüber wollte, war ihm augenblicklich ganz angst und bange, denn der kahle Totenschädel fing plötzlich zu sprechen an. Er sagte: „Trage mich sofort wieder zurück, sonst ist es um dich geschehen!“ Vom Grauen, das ihm kalt über den Rücken lief, geschüttelt, rannte er, so schnell ihn seine Füße zu tragen vermochten, in das öde Kloster zurück. Dort angekommen, warf der Bursche den Schädel weg und eilte noch schneller als er gekommen von dannen, zurück in die Schenke. Als er erschöpft und verstört ohne Totenschädel dortselbst anlangte, rann ihm der Schweiß von der Stirne. Ob seiner Feigheit und Furchtsamkeit wurde er nun von den andern ausgiebig verlacht und gehänselt. Seit dieser Zeit ließ er sich nicht mehr im Gasthause sehen.
Gew.: Leopold Mülter, Niedernanna. Aufz: Die Schulleitung Niederranna (1952). |