Titelseite Geschichte und Sagen des Kremser Bezirkes, Heft 6

Geister Feen Nixen
Heft Nr. 6 (Doppelheft)

Teil 7

von Sage 123 bis Sage 131



123

DIE RUHELOSEN GRENZSTEIN-
VERSETZER

Zu Gneixendorf lebten einst Leute, die Grenzsteine versetzten. Das trieben sie Zeit ihres Lebens und als sie starben, fanden sie im Grabe keine Ruhe. Sie zeigten sich als ruhelose Seelen am Kreuzwege an der Gneixendorferstraße, wo sich diese mit dem Stratzingerweg trifft, den nächtlichen Wanderern als feurige Geister. Sie riefen den Vorübergehenden mit den Worten an: „Wo soll ich ihn denn hin tun?“ Wenn jemand ihnen zur Antwort gab: „Wo du ihn hergenommen hast!“, so antworteten sie mit einem Dankeswort. Der Geist sagte: „Vergelt's Gott! Jetzt bin ich und du erlöst.“


Gew.: Pater Ferd. Mondl in Göttweig. Aufzeichnung durch diesen 1950.

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124

DER HEHMANN VOM LINDBERG

    Einst ging ein Mann, namens Mohr, von Ötzbach nach Unterranna heim. Da hörte er, wie jemand auf dem Lindberg immer „He! He! He!“ schrie. Mohr schritt weiter, bis er zum Haus des Hochreiter kam. Diesen fragte er, wer denn da oben immer „He! He! He!“ rufe. Hochreiter sagte: „Das ist der Hehmann! Erwidere ja nicht seinem Ruf, sonst gehörst du ihm!“ Der nun etwas ängstlich gewordene Mann ging seines Weges weiter und kam zu der Stelle, wo jetzt das Hörhagerhaus steht. Da packte ihn aber der Übermut, sodaß er laut zu rufen begann. Er schrie: „He! He! He!“, als erneut der Ruf des Hehmannes an sein Ohr drang. Als er jedoch zu der Abzweigung nach Unterranna kam, wartete schon eine Gestalt auf ihn, die kopflos am Wege stand. Es war der Hehmann. Als er näher kam, schrie ihn dieser an: „He! He! He!“ Mohr aber bekam es wieder mit der Angst zu tun und antwortete nicht. Da fluchte der Hehmann ganz schrecklich und rief Mohr nach: „Hättest du noch einmal, He' gerufen, dann wärst du mein gewesen!“


Gew.: Hermann Auer, Oetz. Aufz.: Schulleitung der Volksschule Niederanna. 1952.

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125

DER HEHMANN AN DER KREMS

    An der Krems zeigte sich der Hehmann als ein Hausgeist. Man erzählte von ihm, daß er gern in Stall und Küche arbeitete. Einmal kam ein Geistlicher ins Haus, um ihn zu erlösen, weil er durch sein Necken und Spotten den Leuten verleidet war. Der Hehmann sagte aber zum Pfarrer: „Du hast deiner Mutter einmal ein Ei gestohlen, du Dieb!“ Seit jener Zeit hauste der Hehmann als Quälgeist immer ärger, insbesondere im nahen Walde, wo er die Leute irreführte. Seitdem er aber das Haus des Bauern verlassen hatte, hatte dieser kein Glück mehr.


Aus C. Callianos „Niederösterreichischer Sagenschatz“, 1. Bdch. S. 240.

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126

DER HEHMANN ALS SCHWARZER MANN

    Zu Unterloiben waren bei der Familie Riesenhuber Zwillinge eingekehrt. Des Hausvaters Schwester fand sich daher zur Wartung der Mutter und der beiden Zwillinge im Hause ihres Bruders ein. Sie mußte jedoch des Nachts heimwärtsgehen. Ihr Weg führte sie über Feld, entlang eines Raines. Da sah sie einmal nachts um 11 Uhr am Feldrain einen schwarzen Mann von riesenhafter Größe stehen. Er war trotz des Mondlichtes nicht mit Deutlichkeit auszunehmen. Er hatte jedoch einen schwarzen Anzug an und einen großen, schwarzen Hut auf dem Haupte. Da sich die Schwester Riesenhubers fürchtete, trachtete sie so schnell als möglich heimwärts zu kommen. In ihrem Enteilen glaubte sie die kichernde Stimme des Mannes zu hören, die vom Raine herschallte. Sie vernahm: „Hi, Hi, Hi!“


Gew.: Brigitte Pauser, Unterloiben Nr. 16. Aufz.: Dr. Plöckinger. Krems. 1925.
Gew.: Riesenhuber Gottfried, Dürnstein. Aufz.: Riedel Rudolf, Dürnstein. 1926.

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127

DER HEHMANN VOM KIRCHSTEIG

    Vor vielen Jahren ging ein Bauer vom Wirtshause in Rastbach heimwärts nach Moritzreith. Es war schon sehr spät und der Mond stand am Himmel. Als der späte Gast am düsteren Schloßwald vorüber den Kirchsteig talwärts wankte, drang mit einem Male von ferne der Ruf „He! He!“, der gefürchtete Schrei des Hehmannes, an sein Ohr. Und wieder, aber schon viel näher, ertönte das durchdringende „He, He!“. Zu anderer Zeit und bei klarem Kopf hätte sich der Bauer wohl im Schatten einer Fichte verborgen. Aber der Trunk hatte seinen Mut gestärkt und nun wollte er den Spuk erproben. Ein spöttisches Grinsen spielte um seine Züge und dann schrie auch er mit heiserer Stimme: „He, He!“ Die Bäume rauschten, ein Sausen und Brausen erfüllte die Luft. Der Bauer erstarrte vor Schreck, denn schon sah er den Ruchlosen mit geisterhafter Behendigkeit, den fahl glänzenden Grenzstein auf dem krummen Rücken, über Stock und Stein auf sich zuhasten. Entsetzt wandte sich der Mann zur Flucht. Aber es war zu spät. Mit einem gewaltigen Sprunge setzte sich ihm der Verdammte auf das Genick. Mehr als der Hehmann drückte die Last des Grenzsteines den übermütigen Bauer. Die Schwere war so gewaltig, daß der Bauer zu Boden sank. Der Gefallene rang verzweifelt um sein Leben. Ungehört verhallten seine Hilferufe. Immer mehr schwanden seine Kräfte und zuletzt auch seine Sinne. Und als der Geist seine Krallen würgend um des Bauern Hals legte, sank der Mann röchelnd in sich zusammen. Am nächsten Morgen fand man den Landmann tot am Wege auf. Sein Gesicht war zerkratzt und zerschunden. Die Anzeichen eines heftigen und verzweifelten Kampfes hatten sich in seinen Zügen eingeprägt, denn ersterbend hatte er erkannt, daß der Hehmann der Stärkere war. Die Spuren verrieten auch den Leuten, die ihn fanden, wer der Mörder war: Der Hehmann.


Gew.: Geschwister Aschauer und Marg. Pulker, Dörr Franz. Aufz.: Walter Landertshammer (1952).

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128

DER HEHMANN IM KREMSTAL

    Ein übermütiger Bursche rief einmal spottend in die Au: „He, He, He!“ Da kam der Hehmann durch die Luft geflogen, hockte sich mit seiner ganzen Schwere auf den Rücken des Burschen und war bis zum Morgengrauen nicht herabzubekommen. Oft kommen auch mehrere Hehmänner durch die Luft und reißen den Spötter in Stücke. Vermag sich dieser aber noch rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, indem er ein Haus erreicht und die Türe zu schließen vermag, so halten sie ihm ein blutiges Stück Menschenfleisch vor die Nase mit dem Bedeuten, daß sie ihn in solche Stücke zerrissen hätten, wenn er nicht rechtzeitig unter die Traufe des Daches gekommen wäre.


Aus Mailly, nö. Sagen; Nr. 83.

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129

DER HEHMANN VOM JAUERLING

    Früh am Morgen gingen Jauerlinger Bergmäher zur Arbeit. Da der Weg zur Arbeitsstätte weit war, hatten sie daher knapp nach Mitternacht in der ersten Morgenstunde, der Geisterstunde, sich auf den Weg gemacht. Da begegnete ihnen ein Mann, der einen Grenzstein auf Her Achsel trug. Schwer keuchte er unter der Last und in hastigem Tone bat er einen der Mäher um Auskunft, wohin er den Stein legen sollte. Da antwortete der Mann: „Leg ihn nur hin, wo du ihn hergenommen hast!“ Da sagte der Hehmann: „Dank dir Gott, daß du mich erlöst hast.“ Dann verschwand er.


Gew.: Johann Scharnagel aus Laaben. Aufz.: Erich Schöner, Spitz. 1938.

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130

DER KRONAWETMANN

    Wenn man um Mitternacht auf der „Hauswiese“ in Spitz gerade zurechtkommt, so sieht man eine Kronawetstaude über die Wiese gehen. Es ist dies ein unerlöster Geist, der in eine Wacholderstaude verwandelt wurde und auf seine Erlösung wartet.


Gew.: Kausl Barbara, Spitz-Laaben. Aufz.: Volksschule Niederranna. 1952.

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131

DAS DONAUWEIBCHEN

    Des Abends im Dämmerlichte oder in hellen Mondnächten taucht zuweilen aus dem Strome das Donauweibchen empor. Bald schwebt die seltsam anmutige Erscheinung in weißschimmerndem Gewande über den Wellen dahin, bald taucht nur ihr Oberleib empor. Goldblonde Haare wallen reichlich vom blumengesehmütkten Haupte der schönen Elfe, ein lieblicher Blumenkranz schlingt sich auch um ihren Leib. Zuweilen kommt die Holde sogar ans Ufer, guckt den Leuten ins Fenster und freut sich, wenn sie ein recht glückliches Familienleben findet. Fischer und Schiffer warnt das Donauweißchen gerne vor Eisstoß und Hochwasser. Manchmal lockt es aber auch einen hübschen Gesellen durch bezaubernden Gesang ins Verderben. Ebenso zieht die Fee Kinder, welche am Ufer spielen, zu sich in die kalte Flut hinab. Um unter den Menschen weilen zu können, verdingt sie sich mitunter sogar als Magd, verschwindet aber sofort wieder, wenn die Dienstgeber über ihr wahres Wesen Verdacht schöpfen. Weinend kehrt sie dann in ihren Kristallpalast auf dem Donaugrunde zurück. Gerne beschenkt sie auch einsam Begegnende mit Muscheln, bunten Kieseln und anderen unscheinbaren Dingen, die sich aber gelegentlich in wertvolle Schätze verwandeln. Am liebsten ist es ihr aber beim Tanze der Schiffleute und Fischer. Da bittet das Donauweibchen öfters selbst einen Mann zum Tanze. Dabei zeigt es solche Lieblichkeit und Anmut, trotz aller Schnelligkeit, daß alle übrigen zu tanzen aufhören und die seltsame Tänzerin entzückt anstarren. Sobald aber ihre Haare naß zu werden beginnen, huscht die Nixe sogleich unbemerkt von dannen.

    Gerne reden die Donauleute von ihr und erzählen sich, wann sie dieselbe gesehen haben. Einstmals saß auch eine fröhliche Schar in schöner Mondnacht am Donauufer beisammen. Viel wurde dabei über das Donauweibchen geplaudert. Plötzlich hörte ein alter Schiffer ihren lieblichen Gesang. Der Lärm der heiteren Gesellschaft machte ihn aber wiederum verstummen. Vergebens lauschten nun alle darnach. Bald regte sich wieder die Fröhlichkeit und ein munterer Tanz begann zu den Klängen einer Zither. Nun sah der Alte gar die Donaunixe aus dem Wasser kommen. Sie schwebte geradewegs auf die Tanzenden zu, faßte einen jungen Schiffer am Arm und drehte sich wunderleicht und behend im Kreise. Ehe sich der Jüngling bewußt geworden, welch sonderbare Tänzerin er habe, war der Reigen zu Ende und sogleich sah man sie wieder das Ufer hinabhuschen und in den Wellen verschwinden. Eine Weile später griff jener Schifferjüngling in seine Tasche. Da zog er einen leuchtenden Diamanten heraus, wie solche vom blumengeschmückten Haupte des Donauweibchens herabgefunkelt hatten.

    Eine andere Guttat der holden Nixe weiß man vom Aulande unterhalb Krems zu erzählen. Dort sah sie eines Tages am Strande einen kleinen Knaben spielen. Er war das Kind eines armen Fischers, der in einer dürftigen Hütte am Ufer wohnte. Das Büblein fiel aber bei seinem Spiel ins Wasser. Da fühlte es sich von einer wunderschönen weißgekleideten Frau erfaßt und schwimmend ans Land getragen. Dort küßte sie das Kind und gab ihm eine silberne Blume.

    Zum Manne herangewachsen, hielt er diese stets hoch in Ehren und hatte überall sichtlich Glück. Sogar der Bau eines stattlichen Hauses auf einer Donauinsel war ihm möglich geworden. Während der Nacht kam aber einmal eine Überschwemmung, aus der er bloß sich und den Seinen das nackte Leben rettete. Die Silberblume war ihm allein von aller Habe geblieben. Während der Fischer über den Verlust seines Wohlstandes jammerte, entfiel ihm auch sie noch und verschwand im trüben Donauwasser. Im selben Augenblick tauchte das Donauweibchen empor und sagte: „Du hast mich mit der Blume zu Hilfe gerufen. Siehe, worauf du stehst!“. Da fand der Fischer im Donausande glänzende Goldkörner. Ein ganzer Beutel wurde damit voll. Dadurch hatte die Not sofort wieder, ein Ende. Der Fischer konnte sich und seiner Familie wieder ein neues und viel schöneres Haus bauen.


Aus Dr. Plöckingers „Wachausagen“, Nr. 1, Seite 7; und Gerstendörfer: Eine Fahrt auf der Donau.

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Diese Seite wurde am 13. April 2003 erstellt.