Titelseite Riesen und Zwerge

Riesen u. Zwerge
Heft Nr. 11 (Doppelheft)

Teil 8

von Gedicht und
Sage 550 bis Sage 562


L U S T I G E   S A G E N


Sie Männer, Freunde, Brüder, Mitgenossen,
Laßt uns denn nun einmal recht fröhlich sein!
Habt keine Furcht, die Türen sind verschlossen
Und eure Frauen schliefen längst schon ein.

Ihr habt recht wacker euch dies Jahr gehalten,
Erfüllt habt ihr des Siemanns schönste Pflicht,
Die Frauen ließet ihr nach Willen walten,
Denn eine Widerrede gab es nicht!

Ihr laget auf den Knien vor euren Frauen,
Ertruget jede Strafe mit Geduld,
Denn an dem Unheil, das wir ringsum schauen,
Sind einzig und allein die Sie—Männer
schuld . . .

Ludwig Hagen

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550

DIE RABENGASSE ZU KREMS

    Nach der Gründung der Sirnandlbruderschaft wagten es die Mitglieder derselben allmählich, sich nicht nur während des Simonimarktes, sondern auch sonst öfter zu heiteren Abenden bei den „Drei Raben“ in der Burg zu versammeln. Den Frauen wurden diese Wirtshausbesuche aber bald zuviel und sie paßten ihre Männer ab, wenn sie über den Pfarrplatz oder durch die Wegscheid in ihr Simandl-Wirtshaus gehen wollten. Da schlichen sich die ärgsten Simandeln fest vermummt durch das schmale Gassl, das von der Landstraße in die Margaretenstraße führt, zu den „Drei Raben“. Bald wurde dies allgemein bekannt und das romantische Gäßlein erhielt den Namen „Rabengasse“.

Allgemeine Volksüberlieferung. Aufgezeichnet 1954.

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551

DIE SIMANDLBRUDERSCHAFT

    Einst lebte zu Krems ein Simon Handl, den seine Frau stets prügelte. Der Arme wurde daher das Vorbild des "Simandls" und die Kremserinnen begannen bald in der Mißhandlung ihrer Ehegatten zu wetteifern. Da taten sich die Gepeinigten zusammen um zuberaten. Sie beschlossen, die Hilfe des Stadtrates in Anspruch zu nehmen. Die gestrengen Ratsherren waren sofort zum Einschreiten bereit und entschieden, die Männer sollten sich anläßlich des Simonimarktes durch Geschenke an ihre Frauen von weiteren Mißhandlungen loskaufen. Seitdem hielt die Simandlbruderschaft jedes Jahr am Simonimarkttage im Gasthause zu den „Drei Raben“ auf dem Hohen Markte ihre Sitzungen ab. Die Satzungen dieser Gilde seien sogar feierlich im Stadtarchiv hinterlegt worden. Da aber darin arge Unordnung eingetreten war, habe man sie nach Langenlois übertragen.

Aus Dr. Plöckingers „Wachausagen“, Seite 99, Nr. 97.

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Simandelbrunnen Krems

Simandelbrunnen Krems

 
Der Simandlbrunnen in Krems Niederösterreich.


Detail Simandelbrunnen Krems


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552

DIE KREMSER SIMANDLN

    Im Jahre 1619 überraschten die Böhmen unter Oberst Karpizan die Stadt Krems und vertrieben die Bürger, die ihnen entgegenkamen, sodaß sie sich nicht rechtzeitig in die Stadt flüchten konnten. In höchster Not griffen die Kremser Frauen zu den Waffen und verteidigten ohne Männer so heldenmütig die Stadtmauern, daß der Feind die Belagerung aufgeben mußte. Als die davongelaufenen Männer in die Stadt zurückkehrten, mußten sie von ihren heldenmütigen Frauen zahllose Spötteleien erdulden. Die Frauen stifteten zum Andenken ihrer großen Tat den Simandlorden, der sich seitdem von Krems aus über die ganze Erdrunde verbreitet hat, weshalb es so viele Simandeln gibt, die daheim nichts zu reden haben.

Aus Maillys „N.Oe. Sagenschatz“ Nr. 276.

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553

WENZEL UND DER „SPITZER“

    Als Wenzel von Böhmen deutscher Kaiser war, wollten die Spitzer Hauer dem Kaiser eine Freude machen und sich seiner Huld empfehlen. Sie beschlossen daher, ihm ein Faß „Spitzer“ nach Prag zu senden. Entweder irrte man sich oder man glaubte, daß zu Prag ohnehin keine Weinkenner zu Hause seien. Man übersandte kurz und gut einen Wein, der nicht einer der süßesten war. — Trotzdem funkelte der Spitzer Wein, als der Mundschenk die „Spitzer Perle“ in den Kristallbecher des Kaisers goß, wie flüssiges Gold. Wenzel tat darob einen sehr, sehr kräftigen Schluck, setzte aber den Becher mit einem Male ab und rief: „Oh, Osterwitz, oh Osterwitz! Oh sage doch, wo liegt denn Spitz? — Und läg es auch im Monde drein, der Heurig müßte Kriegsjahr sein!“

Aus F. Kisslings „Frau Saga“. 4. Reihe, Seite 25, Nr. 23.

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554

DIE ÄLTESTEN MÄNNER
WÖSENDORFS

    Einst sollte der Bürgermeister von Wösendorf von amtswegen die ältesten Männer seiner Gemeinde namhaft machen. Er beantwortete nach reichlicher Zeit die Aufforderung mit nachstehender Auskunft:

    Dem Auftrag könne nicht nachgekommen werden, denn die ältesten Männer seien leider alle gestorben.

Aus „Lachendes Österreich“, Seite 102.

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555

„OA IN BUDA“

    In ein Gasthaus zu Stratzing kamen eines Tages jüdische Wanderhändler. Der Wirt, welcher die Knauserigkeit der Männer kannte, sagte zu ihnen, daß er heute kein Essen verabreichen könne, da er nichts vorrätig habe. Da in der Umgebung heute zahlreiche Feste gefeiert würden, könnten sie sicher im benachbarten Lengenfeld, da dort Kirchweih sei, ein Essen erhalten. Sie mögen daher nach Lengenfeld gehen, denn dort gäbe es heute „Oar in Buda“ umsonst, man brauche sich dort nur auf den „Oadeana“ berufen. — Die beiden Krämer gingen also dorthin. Als sie im Gasthofe zu Lengenfeld ihr Anliegen vorbrachten. gab der Wirt jedem ein paar saftige Ohrfeigen, drängte sie unter dem Beifall anwesender Gäste zur Türe hinaus und sagte: „So, da habt‘s! Oa in Buda“. Die Krämer wußten nicht, wie sie zu dieser Abdankung kämen, gingen zum Bürgermeister und forderten ihr Recht. Da machte der Ortsoberste ein ernstes Gesicht und versprach dem Wirte die Meinung zu sagen. Aber heute lasse sich da nichts machen, es sei eben Kirchtag. Sie möchten aber nach Egelsee gehen und sich dort anessen.

Gew.: Karl Heinz, Krems. Entnommen der n.ö. Landzeitung, 1954.

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556

DIE MITTE DER WELT

    In Maria Laach kennt man nicht nur das Ende der Welt, sondern auch den Mittelpunkt derselben. Wer es nicht glaubt, der frage den Hubhofbauern zu Maria Laach. Er sagt: „Der Hubhof liegt mitten in der Welt, und wer‘s nicht glaubt, der soll es abmessen.“

Aus „Lachendes Österreich“, Seite 141.

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557

„STREICHKAS“

    Als die zwei Krämer nach Egelsee kamen, suchten sie den Gemeindewirt auf und sprachen, der Weisung des Bürgermeisters von Lengenfeld Folge leistend, diesen mit den mitgeteilten Namen „Kastaucha“ sehr höflich an. Kaum hatten sie mit dem Wort geendet, flogen sie auch schon sehr unsanft, von den kräftigen Fäusten des Wirtes befördert, zur Tür hinaus. Mit lautem Geschrei und Gejammer landeten sie auf der Straße. Dort kam zufällig der Ortspolizist deS Weges, der die beiden Händler wegen Ruhestörung verhaftete und in den Gemeindekotter geleitete. Er wollte sie noch dazu einsperren. Doch klagten die Männer ihr Leid. Der Polizist erkannte nun, daß die beiden genasführt waren. Er entließ sie mit der MaHnung und dem guten Rat, sich nie mehr im Orte sehen zu lassen.

Aus Kisslings „Frau Saga“, 2. Reihe, Seite 53, Nr. 49.

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558

DER REHBERGER MARKT

    Die Rehberger wollten - es ist dies schon lange her - einen Viehmarkt halten. Der Tag wurde bestimmt und überall in der Umgebung ausgerufen. Mit Spannung erwarteten die Rehberger die Käufer und Verkäufer. Aber es kam niemand. Nur ein altes Weiblein trieb eine Geiß auf den Platz, wo der Markt stattfinden sollte. Als es Mittag wurde und sich kein Mensch um den Markt kümmerte, molk die Bäuerin die Milch der Ziege in das mitgebrachte Eßhäferl und trieb sie dann wieder nach Hause. Seit der Zeit heißen die Rehberger die „Goaßmelker“.

Gew.: Soche, Krems. Aufzeichnung 1906. Kisslings „Frau Saga“, 2. Reihe, Nr. 46, ebenso „Lachendes Österreich“, Seite 64.

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559

DER WELTMASSTAB

    Der Herrgott hat das Weltall, bevor er es erschaffen, genau ausgerechnet, nach Länge, Breite und Tiefe. Als nun die Erde fertig war, hat er sie nachgemessen, ob ihre Ausmaße auch ins ganze Weltgebäude passen. Die Klafterstange mit der die Welt ausgemessen wurde, war vor ungefähr hundert Jahren noch vorhanden, und zwar zu Mollands. Heute ist de jedoch verschwunden. Vor sechzig Jahren war sie noch dortselbst vorhanden.

Aus Kisslin „Frau Saga“, 6, Reihe, Seite 92, Nr. 144.

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560

DER VERTAUSCHTE JAHRMARKT

    Die Rossatzer hatten vor langer Zeit zu Jakobi, am Tage ihres Kirchenpatrons, einen Jahrmarkt. Auf diesen verzichteten sie zu Gunsten der Stadt Krems, die so den Jakobimarkt bekam, aber dafür der Gemeinde einen Wald in der Gemeindefreiheit Rossatz überlassen mußte Dieser Wald wurde ab dieser Zeit „Kremser Maiß“ genannt.

Gew.: Alois Weixlbaum, Unterloiben. Aufz.: Dr. Hans Plöckinger, Krems. 1949.

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561

PRIOR FLEISCHESSER

    Die Kartause zu Aggsbach war ein sehr strenges Kloster. Die Mönche mußten ganz abgeschieden von aller Welt leben und durften gar kein Fleisch essen. Der erste Prior aber wurde beschuldigt, er habe sogar Frauen in die Kartause Zutritt gewährt und noch dazu mit ihnen Fleisch gegessen. Der Klostervorstand konnte sich leicht rechtfertigen, denn der Besuch sei die Stifterin der Kartause, Frau Elisabeth von Kuenring, mit ihrer Verwandten gewesen. Wegen des Fleischgenusses muß aber das Reinwaschen nicht gelungen sein, denn es blieb dem Prior der Spottname Fleischesser.

Aus Dr. Plöckingers „Wachausagen“, Seite 36, Nr. 27.

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562

DIE „EINGEMAUERTEN“

    Dürnsteins Stadtmauern umfassen gleich zwei Armen die Häuser der Menschen dort. Da die Leute daher innerhalb der Mauern leben. nennt man sie spöttisch „Die Eingemauerten“.

(Riedel)

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Diese Seite wurde am 21. September 2006 erstellt.