Mühldorf Logo

Die Einweihung der Kalvarienberganlage
in Unterranna (Festschrift Seite 8 bis 10)


Die Kalvarienberganlage in Unterranna

Der Kreuzweg als Andachtsform geht auf alte Tradition zurück und hat in der vorösterlichen Liturgie der Kirche einen zentralen Stellenwert.
Die Christen betrachten in dieser Andachtsform das Leiden und Sterben Jesu Christi in (heute) vierzehn Stationen. Der Inhalt der einzelnen Stationen ist durch die Evangelien verbürgt oder von ihnen abgeleitet. Nur eine Station (Veronika) ist legendär.
In Jerusalem wurden schon früh einige Stellen des Kreuzweges des Herrn durch Steine oder Kapellen bezeichnet, die von den Pilgern besucht wurden.
In den Nachbildungen im Abendland war der Leidensweg ursprünglich nur durch den Anfangspunkt (Burg Antonia) und den Endpunkt (Kalvarienberg) bestimmt. Bald ging man dazu über, diese Strecke durch weitere Monumente zu unterteilen. Die Siebenzahl der römischen Stationskirchen führte im deutschen Sprach- und Einflußgebiet zu den „Sieben Fällen".
Gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts wurden zwölf Stationen üblich, denen der spanische Franziskaner Antonius Daza in seinen "Exercicios espirituales" (1625) noch die beiden letzten (Kreuzabnahme und Grablegung) hinzufügte. In der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts wurde von der Ablaßkongregation eine Anleitung zum Beten des Kreuzweges in vierzehn Stationen herausgegeben und dadurch eine gewisse Norm aufgestellt.
Neuere theologische Bestrebungen gehen nach einer fünfzehnten Station, der Auferstehung Jesu.

Die Kalvarienberganlage in Unterranna muß in Zusammenhang mit dem Paulinerkloster gesehen werden, dessen Reste noch vorhanden sind.
Hans III. von Neudegg stiftete 1414 gemeinsam mit seiner Gattin Kunigunde an seinem Sitz zu Ranna ein Kloster. Die Familie der Neudegger stammte aus Bayern, war seit 1370 im Besitz der Burg Ranna und wurde im fünfzehnten Jahrhundert zu einer bedeutenden politischen Kraft des südlichen Waldviertels.
Hans III. wandelte als Patron der Kirche Unterranna diese in eine Klosterkirche zu Ehren Mariens und des Hl. Stephanus und rief aus Ungarn zwölf Mönche aus dem Orden des Hl. Paulus Eremita, die das Kloster begründen sollten. Dieser Orden der Pauliner wurde um 1220 durch Eusebius, Mitglied des Metropolitankapitels zu Gran gestiftet und sollte sein Ordensleben nach dem Vorbild des ersten Einsiedlers, des Hl. Paulus Eremita, führen.
Die Klostergründung zeigt die Bestrebungen des Adels und der Herren dieser Zeit, sich mit geistlichem Gefolge zu umgeben, ein Hauskloster zu schaffen und so sein Ansehen zu heben und seine gesellschaftliche Stellung zu betonen.
In der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts erlebte das Kloster seine hervorragendste Zeit: 1677 wurden vier prächtige Altäre aufgestellt; 1701 mußte die Anlage durch einen Zubau vergrößert werden, da der Ordensgeneral die Eremitei in Unterranna als Noviziat für die jungen Mönche ausersehen hatte.
In diese bedeutende Epoche der Klostergeschichte fällt auch der Bau des Kreuzweges, der - wie die Pfarrchronik aus Niederranna berichtet - keinesfalls unumstritten war. So führte der Seelsorger von Niederranna, Pfarrer Zacharias Sigl, bei seinem Probst in St. Florian Klage über den Plan der Pauliner, „extra limites monasterii" einen Kalvarienberg errichten zu wollen. Der Probst wollte den Streit auf höchster Ebene entschieden wissen und wandte sich an den Ordinarius loci, den Bischof von Passau - aber „ohne Erfolg", wie die Chronik zu berichten weiß: „Die Pauliner führten fort was sie angefangen hatten".
Für die Errichtung solcher Kreuzweganlagen war (bis 1938) mindestens die mündliche Erlaubnis des Ordinarius loci notwendig.
Der Bau der Anlage fällt also in die Zeit von 1675 bis 1680 - in diesen Jahren war Zacharias Sigl Pfarrer in Niederranna.

Die Aufhebung des Klosters wurde im Jahre 1783 von Josef II. ausgesprochen und 1786 durchgeführt. Die Gebäude und die sonstigen beweglichen und unbeweglichen Besitztümer wurden zugunsten des Religionsfonds versteigert.
Fünfzig Jahre später ließ der Eigentümer der Anlage Kirche und Klosterzellen niederreißen, um Steine und Eisenstangen verkaufen zu können - übrig blieben die Ruinen einer Eremitei, die niemals die Größe und Bedeutung unserer großen Stifte und Klöster erreichen konnte, aber innerhalb ihres engeren Wirkungskreises eine beachtenswerte Stellung inne hatte.

Auch die Kreuzwegkapellen und Kreuzwegstationen wurden teilweise zerstört und dem Verfall preisgegeben.

Vor ca. zehn Jahren erinnerte man sich der verfallenen Stationen und der Kreuzigungskapelle, von der im wesentlichen nur die barocke Fassade erhalten geblieben war. Dach und Gewölbe fehlten und auf den Mauerresten wuchs Gestrüpp. Das was einmal stattliche Stationskapellen darstellte, war zu Steinhaufen und Mauerresten verkommen.
So faßte der Vorstand des Verkehrsvereines Mühldorf 1985 den Beschluß, die Revitalisierung dieser Anlage in Angriff zu nehmen.
Dachte man zuerst nur an die Wiederherstellung der Kreuzigungskapelle, so entstand bald der Plan, den gesamten Kalvarienberg unter Anleitung von Fachleuten wieder zu errichten.
Die mühevollen, zeitaufwendigen und finanziell anspruchsvollen Arbeiten, die durch den unermüdlichen Einsatz des Vereinsobmannes, des Bezirksinspektors Oswald Stalzer, und eines „harten Kernes" seiner Mitglieder erst ermöglicht wurden, fanden bald bei der Bevölkerung Anerkennung und Unterstützung.
Während der Bauarbeiten entdeckte man die Grablegungskapelle, die heute ebenso ein Schmuckstück der Anlage ist wie die Kreuzigungskapelle.
Eingehend diskutiert wurde die künstlerische Ausgestaltung der Kreuzigungs- uns Grablegungskapelle sowie der neun Stationskapellen. Schließlich fiel die Entscheidung zugunsten gemalter Stationsbilder. Der Auftrag wurde an Prof. Hermann Bauch aus Kronberg im Weinviertel, der auch sonst durch seinen Rat zur Verfügung stand, vergeben.
Heute fügen sich diese, durch besondere Verfahren witterungsbeständig gemalten Bilder harmonisch in die Kreuzweganlage ein und lassen den Betrachter die unermeßlichen Anstrengungen Jesu Christi auf seinem Weg nach Golgotha erahnten.



zur 7. Seite

zur 11. und 12. Seite


zur Home Page       zur Ortsauswahl       zur Mühldorf Seite

zu den Sehenswürdigkeiten       zum Kalvarienberg



Cat Logo

Copyright © Familie Wimmer. All rights reserved.
Diese Seite wurde am 29. April 2001 erstellt.