Teufelswerke
Heft Nr. 9 (Doppelheft)
Teil 2
von Sage 312 bis Sage 321
312 „BEIM GERICHT“
Am Berghange oberhalb St. Johann in der Wachau stand einst ein Galgen.
Dieser Platz, der viele Hinrichtungen gesehen hatte, welche vom zuständigen Landgerichte an dieser Stelle
vollzogen wurden, erschien dem Wachauer Volke unheimlich und wurde
von ihm geimieden. Hier ging es oft auch nicht mit rechten Dingen zu, denn
vom Berghange kollerten manchmal Steine zu Tale, ohne daß Mensch
oder Tier die Ursache dazu gegeben hätten.
Gew.: Dr. Notz, Spitz, 1925. Aufz.: Dr. H. Plöckinger, Krems. |
313 DAS GALGENGESPENST VON DÖLLERSHEIM
Als zu Döllersheim noch das Mauerwerk des landgerichflichen
Hochgerichies erhalten war, zeigte sich oft ein geheimnisvolles Licht, das
aber nur zeitweise sichtbar wurde.
Dieses Licht soll eine unerlöste Seele eines Hingerichteten gewesen sein,
der im Grabe ob seiner Übeltaten keine Ruhe finden konnte. Als man 1890 das Galgenmauerwerk niederriß und zum Straßenbau verwendete,
kehrte endlich an dieser Stelle Ruhe ein. Das Lichtlein zeigte sich nie
mehr wieder.
Aus „Frau Saga“, 7. Reihe, Nr. 75, Seite 9. |
314 DAS GRÜNE GERICHT
Einst bestand zu Emmersdorf, Luberegg und Persenbeug das sogenannte
„Grüne Gericht“. dessen Vorzug kürzeres gerichtliches Verfahren war. Der Gerichtszwang nämlich war auf keinen bestimmten Bannkreis
oder Ort beschränkt, sondern der Gerichtsherr konnte den
auf der Tat ertappten Verbrecher nach Art des Standrechtes sogleich richten und ihn auf den nächsten Baum aufknüpfen lassen. Auf der Anhöhe zwischen Pöggstall und Würnsdorf war vor einigen Jahren noch der Eichenstamm zu sehen,
welcher dazu gedient hatte. Er wurde, obgleich
er schon sehr vermodert war, die „Grüne Eiche“ oder die
„Galgeneiche“ genannt. Noch jetzt hört man, um den Fleck dort oder
das nahe Feld zu bezeichnen, den Ausdruck: „dort, wo die grüne
Eiche stand.“
Aus Friedrich Reil „Das Donauländchen“
|
2. Erzählform:
Als Herzog Albrecht IV. im Lande Österreich regierte, war Emmersdorf
ein arg berüchtigtes Räuhernest. Freche Wegelagerer, adeliger
Abkunft, hatten hier ihren Sitz und der Herzog zog gegen die
Rechtsbrecher das Geräune heran. Zu Ostern des Jahres 1402
schritt gegen sie der Herr von Dachsberg und viele andere
österreichische Edle ein, die das Raubnest am zweiten Sonntage
nach Fronleichnam endlich einnehmen und die Raubgesellen
ausheben konnten. Der Geräunemeister verurteilfe und richtete sie.
Sie wurden auf der Richtstätte als Räuber geköpft und gehenkt.
Nach Hagen bei Hier, Petz u. Weiskerns Topographie von N.ö. I. Bd./147. |
315 DER HÄNGENDE STEIN
Beim „Hängenden Stein“ nächst der Königsalm wurden einst in längst
vergangener Zeit Menschen vom Leben zum Tode befördert. Man
richtete sie und vergrub sie ohne Einsegnung an der Stelle der
Urteilsvollsfreckung. Manche Seele fand aber keine Ruhe und
darum geisterte es hier zu gewissen. Zeiten. Besonders nach dem
Gebetläuten im Advent wagten sich manche Leute an dieser Stelle
nicht vorbei. Als man die Straße verbreiterte, fiel der hängende Stein.
dem Straßenbau zum Opfer. Seit dieser Zeit geistert es dort nicht
mehr.
Aus Kisslings „Frau Saga“, 6. Reihe, Seite 56, Nr. 74. |
316 WART, WART, I SIACH Dl’ SCHON
Wenn in der Zeit der Weinlese tiefes Dunkel zu später Abendstunde
über dem Städtchen Stein lag, rief in längst vergangener Zeit der
Türmer vom Frauenbergturme seinen vielsagenden Wacheruf von
Zeit zu Zeit hinaus in das dunkle Städtchen und Weingebirge.
Seine mahnenden und vielsagenden Worte "Wart, wart ich seh
dich schon!" vernahm gar mancher nächtliche Wanderer, der zu
dieser späten Stunde von den süßen Beeren im dunklen Weinberg
ungesehen naschen wollte. Hatte er schon die Hand darnach
ausgestreckt so ließ er sie betroffen wieder sinken, wenn des
Türmers Stimme erscholl. Erschrocken ließ er davon ab und suchte,
in der Meinung, wirklich gesehen worden zu sein, eiligst zu entfliehen.
Er lief dann dem Weinhüter gewiß in die Hände, wenn er scheu
jedem Menschen ausweichen wollte. Dieser verabreichte ihm dann
seineu Lohn mit dem Hüterstaberl.
Nach Sturma, 1954. |
317 DIE TUCHNERKLIPPEN
Es ist schon manches Jahrhundert her, daß in der Wachau zu Goßam
ein Tuchmacher und Händler lebte, Klaus mit Namen. Er galt als ein
reicher Mann und war es auch. Aber je größer sein Reichtum wurde,
desto höher schwoll auch sein Geiz. Zuletzt war ihm kein Mittel mehr
zu schlecht, sein Vermögen zu vergrößern. Insbesonders beutete er
die Notlage alleinstehender Witwen aus, indem er Darlehen mit
wucherischen Zinsen und unter den drükkendsten Bestimmungen gab
und durch kein Bitten und Weinen von seinen Forderungen abging.
Wehe dem, der in seiner Hilflosigkeit an die Tür Klausens kam und
hier Rat suchte! Sokam es, daß Klaus allgemach ein Gegenstand geheimen Abscheues für die Bewohner des Tales geworden war und sein Name wie Fluch klang.
Aus Riceks „Wachausagen“, Seite 19. |
318 DER HARTHERZIGE GUTSHERR
Vor vielen hundert Jahren lebte auf dem Scheibenhofe, dem kleinen Schlößchen ein geiziger und hartherziger Gutsherr. Dieser Verlangte von seinen Bauern und Arbeitern nicht nur schwere Arbeit, ohne ihnen dafür Lohn zu zahlen, sondern war auch mit dieser nie zufrieden. Deshalb ließ er die Männer, wenn sie auf den Feldern unzufriedenstellend arbeiteten, in den Bock spannen und durch Stockstreiche zu besserer Arbeit anspornen. Darob waren ihm die
untertänigen Menschen böse und fluchten über ihren Herrn. Da
geschah es eines Tages, daß der Hund des Mannes, den er durch die
bebauten Felder der Bauern hetzte, von einem Bauern erschlagen
wurde. Vom Schlosse aus hatte der Hartherzige den Übeltäter bei
seiner Tat erspäht. Er ließ ihn vor sich holen und stellte ihn zur Rede.
Der Bauer wollte sein Recht geltend machen, aber der Herr ließ ihn in
den Bock spannen und harte Streiche verabfolgen. Zwei Tage
schmachtete der Bauer ohne Nahrung im Bocke. Am dritten Tage
ließ er ihn abermals prügeln und hierauf in Fesseln legen. Als dies
geschehen war, band man den Bauern an eine Leine, die am
Sattelgurt des Pferdes befestigt war. Der unbarmherzige Mann
bestieg hierauf das Pferd und ritt durch die Felder, welche um das
kleine Schloß ausgebreitet lagen. Er trieb sein Pferd stets zum
scharfen Gange an und schleifte so den Bauern durch dieFelder.
Dornen und Steine rissen dein Armen die Kleider und das Fleisch vom
Leibe, bis daß er als lebloses Bündel an der Leine hing. Das Volk, das vor die Häuser getreten war, sah das ruchlose Treiben des Gutsherrn
und fluchte seiner Tat. Als der strenge und hartherzige Herr am Hofe
des Bauern vorbeikam, schnitt er die Leiche des Mannes von der
Leine los und ließ sie im Garten vor dem Hauser liegen. Weib und
Kinder des Bauern standen weinend in der Tür desselben. Da hob die
Frau die Hände zum Himmel empor und ein fürchterlicher Fluch kam
über ihre Lippen. Schrill klang ihre Stimme an sein Ohr. Der Himmel
war unheimlich düster. Da gab er dem Pferd die Sporen und dieses
raste dem Schlosse zu. Plötzlich waren Pferd und Reiter von der Erde
verschwunden. Als man später Nachschau hielt, fand man Roß und
Reiter in einem Wiesbrunnen tot auf. Die Strafe Gottes hatte den
grausamen Menschen erreicht. Das Volk verschüttete den Brunnen,
um die Spuren des Bösen zu entfernen.
Gew.: Josef Maurer u. Franz Harrer, Dürnstein. Aufz.: Rud, Riedel, 1920. |
319 DER LAHME GUTSHERR
Vor langer Zeit, so erzählten die alten Leute von Gföhl,
hauste an der Stelle, wo heute im Markte das genossenschaftliche Kaufhaus
sich befindet, ein alter, geiziger und mürrischer Mann, der einen
ansehnlichen Besitz sein Eigen nannte. Sein Mißmut soll in seiner
Lahmheit die Ursache gehabt haben. Seinem Wohnhause gegenüber
steht heute noch das alte Rathaus des Marktes. Dieses hat einen
Turm, der nach den vier Weltrichtungen hin Ausgucklöcher besitzt.
Wenn seine Leute auf seinen Feldern arbeiteten, ließ
er sich in den Turm tragen, von wo aus er durch die Löcher den
Fortgang und Fleiß der Feldarbeiter beobachten konnte. Mit Grimm schalt er
die Nachlässigen und Faulen. ja, es sollen sogar Züchtigungen sich
zugetragen haben, wie es noch heute alte Leute zu berichten wissen.
Gew.: Obl, Franz Lindner und Brenner Franz. Aufz.: Dir. K. Weißenböck, 1926.
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320 DER HARTHERZIGE VATER
Vor Zeiten lebte in Landersdorf ein Bauer, der
wohlhabend und rechthaberisch war. Alles mußte nach seinem
Willen gemacht werden, was ihn auch großen Reichtum
einbrachte. Er hatte drei hübsche Töchter deren Herzenswünsche bei dein hartherzigen Vater stets Widerspruch
fanden. Viele Freier hatten schon um die Jungfrauen angehalten, aber der Vater fand stets an jedem Jüngling
etwas auszusetzen. Sie wurden alle abgewiesen, denn der
Mann wollte von einer Verehelichung seiner Töchter nichts wissen.
Erfluchte seinen Kindern und ihren Liebhabern
und rief einen fürchterlichen Fluch in die Welt, der neue Freier abhalten sollte. Er wollte seine Töchter lieher tot als verehelicht
sehen. Nicht lange währte es, daß sein Ausspruch bittere Wahrheit
werden sollte. Gram ließ seine Mädel seelisch und körperlich krank
werden, sodaß in kurzer Zeit die erste Tochter züi Grabe getragen
wurde. Die Lungenschwindsucht hatte sie dahingerafft.
Eingesendet von der Schule Rohrendorf. Aufgez.: 1954. |
321 BAUER UND PFLEGER
Als noch das Herrschaftsgericht von Ranna im Spitzer
graben Recht sprach, verfolgte der Haß des Pflegers von
Brandhof, der auch zugleich Richter der Herrschaft war,
einen der untertänigen Bauern, der den Namen Sepp
führte, überall hin. Einst fuhr der Bauer an einem Markttage
zum Markt nach Spitz. Als er heimkehrte, hatte er
etwas zuviel in das Glas geguckt. Er war deshalb guter
Laune und zeigte ein übermütiges Benehmen. Da mußte er
mit seinen schon müde gowordenen Gäulen am herrschaftlichen Pflegehof, dem Brandhof, vorbei, wo auch der Pfleger mit seinem Sohne wohnte. Letzterer war zugleich der
Schreiber der Herrschaft. Als ihrer nun der Bauer gewahr
wurde, erwachte in ihm der alte Groll wider den Bedrücker
und Hasser. Er sprach nun laut vor sich hin. „Olle zwen
sans Halunken, der Olt und der Jung!“ Der Pfleger, welcher dies vernommen hatte, fand diese Äußerung als eine
Verhöhnung und Beleidigung seiner Person und sandte dem Bauern
den Gerichtsdiener in das Haus. Dieser brachte den Sepp vor den
Pfleger, der ihn im peinlichen Verhör sein Verhalten vorhielt. Auf die
Frage des gestrengen Herrn, wen er wohl mit seinem Ausspruch,
gemeint habe, entgegnete der Bauer zerknirscht, aber in listiger Weise:
„Euer Gstrengen, dö zwen Luadan, dö fauln Rössa, hob i gmoant; wei
bold dös olte, bold dös junge net richti zogn bot.“ So mußte der Pfleger,
der aber ansonsten ein gerechter Mann war, noch dazu die
Demütigung einstecken, da er dem Manne keine Beleidigung seiner
Person nachweisen konnte.
Aus Kisslings „Frau Saga“, 6. Reihe, Seite 67, Nr. 99. |
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