DIE

SIEBEN WORTE JESU

AM KREUZ


EINE BETRACHTUNG
ZUM KARFREITAG

 

Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun. (Lk 23.34a)

Ein Wort, das schwer fällt zu glauben. Weiß der Kinderschänder nicht, welches Leid er über seine Opfer und dessen Eltern bringt, weiß der Ehemann nicht, wie viel Vertrauen er zerstört, wenn er seine Frau betrügt? Wer würde schon von sich sagen, er wisse nicht, was er tut? Doch wir machen auch die andere Erfahrung. Wenn jemand für seine Vergehen zur Rechenschaft gezogen werden soll, dann waren es die anderen, die Gesellschaft das Elternhaus, die Medien. Unsere Gesetze kennen Vergebung nicht, nur Strafe, vielleicht Bewährung und Resozialisierung. Doch wer in den Bahnen unserer Rechtsprechung denkt, wird die Worte Jesu nicht verstehen. Denn mit diesen Worten, die Jesus in höchster Qual, kurz vor seinern Tode spricht, denkt er an die, die ihn peinigten. Und damit eröffnet er eine Wirklichkeit, welche die Gesetzesmäßigkeit von Vergehen und Strafe aufhebt. Eine Wirklichkeit, aufgebaut auf Liebe und Vergebung, die uns so fremd geworden ist, dass wir vielleicht wirklich nicht wissen, was wir ihr Böses antun. Weil wir nur in den Gesetzen von Strafe und Vergeltung denken können. In dieser anderen Wirklichkeit gilt: Wer Böses tut, weiß nicht wirklich, was er tut. Er braucht Vergebung.


Amen, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. (Lk 23,43)

Ein ganz großer Trost sind diese Worte. Nicht nur für den Schächer. Anger sichts des Todes wird ihm, dem Blut Unschuldiger an den Händen klebt, das Paradies zugesagt. Auf eine schlichte Bitte hin: Denk an mich, wenn du in dein Reich kommst. Und wir? Wir sorgen uns um so vieles. Das ist auch oft notwendig. Wir sollen nicht die Hände in den Schoß legen - gerade dann nicht. wenn es Menschen um uns herum schlecht geht. Doch wir sorgen uns, ohne zu vertrauen. Die Ängste quälen uns manchmal, sind ein Kreuz, das wir tragen. Und vergessen dabei den, der uns seine Fürsorge zugesagt hat. Dabei würde eine schlichte Bitte ausreichen: Gott, denk an mich, denk an mich auch dann, wenn ich dich immer wieder vergesse. Die Bitte wird nicht unbeantwortet bleiben, Es gibt keine Garantie, dass unsere Wünsche, so wie wir es uns vorstellen, in Erfüllung gehen, doch eine Zusage ist gewiss: Die Erfahrung von Gottes Gegenwart, die Erkenntnis, nicht allein zu sein.


Frau, siehe dein Sohn - Siehe, deine Mutter. (Joh 19,26-27)

Worte, die weit über eine Versorgungsmentalität hinausgehen. Natürlich, nach dem Tod des Sohnes droht der Mutter der Absturz ins Elend, dem Jünger der Fall ins Bodenlose, weil der Halt in seinem Leben stirbt. Es ist ein weiterer Beweis seiner Liebe, dass es Jesus nicht gleichgültig ist, was mit denen geschieht, die er zurücklassen muss. Bringt Jesus seine Lebensverhältnisse in Ordnung? Ich glaube, seine Worte meinen viel mehr: Sie sind Beispiel für uns, vvie menschliche Beziehungen gelingen können. Auf der Basis von Verantwortung und Liebe. Und wo können Verantwortung und Liebe auch miteinander Lind zueinander gelebt werden? Die Kirche, jede christliche Gemeinschaft kann ein solcher Ort sein. Wenn Jesus diese Worte zu seiner Mutter und seinem Lieblingsjünger spricht, dann ist das keine Aufforderung, sich in eine Zweisamkeit zurückzuziehen und Erinnerungen anzuhängen, sondern eine Lebensform mit Wirklichkeit zu erfüllen.


Mich dürstet. (Joh 19,28b)

Allzu verständlich - diese Worte. Nach der- Folter, dem beschwerlichen Kreuzweg, den Stunden am Kreuz, den Schmerzen. Wer erbäte sich nicht einen Schluck zu trinken, um die Qual ein wenig zu mildern. Die Gefahr ist groß, dieses „Mich dürstet“ ad acta zu legen - alles dazu gesagt. Doch diese zwei Worte hallen nach, ihr Echo ist seit Golgatha nicht schwächer geworden. Heute sind sie uns gesagt. Nicht nur von den Menschen, die buchstäblich verdursten. Auch von Jesus selbst. Denn sein Durst ist noch nicht gestillt. Sein Durst nach unserem Vertrauen zu ihm, nach unserer Bereitschaft, ihm nachzufolgen, sein Durst nach Liebe, Frieden und Gerechtigkeit. Die Soldaten damals speisten ihn mit einem in Essig getränkten Schwamm ab. Wir sollten uns mehr einfallen lassen.


Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Mt 27,46, Mk 15,34)

Die Umstehenden verstehen Jesus nicht, als er in tiefster Qual nach seinem Vater ruft; vielen von uns fällt es dagegen nicht schwer, ihn und seine Worte - zumindest in diesem Moment - zu verstehen. Wie oft haben wir mit diesen oder ähnlichen Worten nach Gott gerufen - verzweifelt, anklagend. „Warum?“ ist die Frage des Karfreitags. die Frage, die sich automatisch stellt, wenn wir mit unerklärlichem Leid konfrontiert werden. Eine berechtigte Frage, weil sie mit Gott rechnet, weil sie ihn und sein Wort ernst nimmt, Eine Frage, die keine schnelle, keine leichte Antwort verträgt, weil jede Antwort Gefahr läuft, den Fragenden zu verhöhnen. Aber zugleich eine Frage die eine Antwort verlangt. Eine Frage, die vielleicht mit Worten gar nicht beantwortet werden kann, sondern bei der der Gefragte selbst die Antwort ist: indem er mit dem Fragenden mitleidet.


Es ist vollbracht! (Joh 19,30)

„Es ist vollbracht!“ - eigentümliche Worte für einen Sterbenden. Ich vollbringe eine Leistung, erfülle eine Aufgabe - Worte, die zum Leben passen, aber zum Tod? Sterben als Leistung, als Aufgabe? Das passt nicht zu unserem Sprachgebrauch: Wenn ich eine Aufgabe gemeistert habe, nehme ich mir eine neue vor, fasse neue Ziele ins Auge - wie soll das funktionieren angesichts des Todes? Das, was Christen sich nach dem Tod erhoffen, bleibt in ihrer Hoffnung vage, ungewiss, viel zu diffus, um sich angesichts des Todes neue Ziele zu setzen. „Es ist vollbracht!“ - diese Worte Jesu machen nur Sinn, weil für ihn sein Tod nicht sinnlos ist, kein definitives „Ende-Schluss-Aus“, sondern eine Zwischenstation. Worte angesichts des Todes in der Hoffnung auf ein neues Leben. Nicht im Wissen auf einen Neuanfang, aber im tiefen Vertrauen, dass mit dem vollendeten, vollbrachten Leben nicht alles zu Ende ist. “Es ist vollbracht, es ist zu Ende!“, weil Jesus fest darauf vertraut, dass etwas Neues beginnt.


Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. (Lk 23,46)

Die letzten Worte Jesu werden uns bei den Evangelisten unterschiedlich überliefert. Bei Matthäus und Markus das verzweifelte Aufbegehren, das Gott ernst nimmt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ und bei Johannes das hoffnungsvollere „Es ist vollbracht!“, das darauf vertraut, dass der Tod nicht das !letzte Wort hat. Am eigentümlichsten die Worte, die der Evangelist Lukas überliefert: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist!„ In diesen Worten ist weder Verzweiflung noch Hoffnung zu spüren, sondern ein ganz grundsätzliches Vertrauen. Ein Vertrauen, das nichts mehr für sich selbst erhofft und dennoch bei Gott Halt findet, ein fast kindliches Vertrauen, das kein Ziel kennt, aber Geborgenheit erfährt. Religiöses Urvertrauen, die Gewissheit, von Gott getragen zu werden, ohne zu wissen, wohin mich Gott trägt, das wünsche ich mir für mein Leben. Von Jesus kann ich es lernen: Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe. Und noch etwas anderes erfahre ich: Dieses Urvertrauen kann mir nur geschenkt werden, ich kann es mir nicht selbst schaffen, vielleicht muss ich es erleiden.


Pfarramt St, Martin Nürnberg , Grolandstraße 71 90408 Nürnberg

Die Pfarrei St. Martin hat die Idee aus dem Fastenhirtenbrief 2003 unseres Erzbischofs von Bamberg, Prof. Dr. Ludwig Schick als Beilage zur Gottesdienstordnung umgesetzt. Wirklich eine gute und hilfreiche Idee, vielleicht nicht nur für die Fastenzeit.



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Diese Seite wurde am 27. Juli 2003 von Familie Wimmer erstellt.