Liebe Schwestern und Brüder! |
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Es ist ganz natürlich, dass Menschen an sich denken. Jeder will einen
sicheren Platz in der Gemeinschaft haben, am besten nicht den letzten, sondern
den ersten. Bereits Kinder bevorzugen Spiele, in denen sie zeigen können, dass
sie zu den Ersten gehören. Zwar will nicht jeder Leitungsämter übernehmen, weil
das ja auch mit Verantwortung verbunden ist, aber etwas gelten möchte jeder. |
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Die Jünger Jesu sind nicht anders. Das Geltungsstreben steckt auch in ihnen. |
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Unlängst haben wir gehört, dass sie sich darüber unterhielten, wer von ihnen der
Größte sei. Heute hören wir, wie Jakobus und Johannes bei Jesus vorstellig
werden und um einen bedeutenden Posten in seinem zukünftigen Reich bitten. Sie
wollen die ersten Minister werden. Was ist dagegen einzuwenden? Strebsamkeit
ist nichts Verwerfliches. Wichtig ist nur, dass man seine Ziele nicht mit unlauteren
Mitteln verfolgt. Außerdem müssen die Voraussetzungen erfüllt werden und die
notwendigen Fähigkeiten vorhanden sein. |
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Jesus fragt die beiden Bittsteller, ob sie
seinen Kelch trinken und seine Taufe auf sich nehmen können. Sie werden kaum
verstanden haben, dass Jesus damit den Kelch des Leidens meint. Denn im
Brustton der Überzeugung sagen sie. Wir können es! Minderwertigkeitsgefühle
haben sie offenbar nicht. Selbstvertrauen ist etwas Gutes. Wer sich selbst etwas
zutraut, der kommt im Leben meist weiter. Die strebsamen Jünger werden von
Jesus nicht gestoppt wegen ihres Strebens , sondern weil er über die gewünschten
Plätze nicht verfügt. Und dass die anderen Jünger die Zwei zurechtweisen, das
gefällt Jesus auch nicht. |
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Jesus holt seine Jünger dort ab, wo sie stehen: bei ihrem Streben nach oben. Er
weist darauf hin, dass dieses Streben seine Gefahren hat. Die Mächtigen, die
Herrscher, sind ein Beispiel dafür. Denn sie missbrauchen häufig ihre Macht und
unterdrücken Menschen wie Völker. Wer oben steht, der läuft Gefahr, zu
vergessen, dass er eigentlich den Menschen, die ihm anvertraut sind, zu dienen
hat. Jesus ist kein Anarchist. Er spricht sich nicht gegen die Macht aus, sondern
nur gegen den Machtmissbrauch. Er weiß, dass auch seine Jünger nicht dagegen
gefeit sind, wenn sie einmal in der Verantwortung stehen. Darum gibt er ihrem
verständlichen Streben, erste zu sein, eine neue Richtung. |
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„Wer bei euch groß
sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, der soll der
Sklave aller sein.“ |
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Schließlich weist er als Vorbild auf sich selbst hin. Er, der Meister
und Herr ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen. |
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Jesus kritisiert das Streben nach oben nicht. Er weiß, dass es in jeder Gruppe eine
Rangordnung gibt. Auch in seiner Kirche wird das nicht anders sein. Ohne Leitung
kann keine Gesellschaft Bestand haben. In der Kirche sprechen wir von
Hierarchie, das bedeutet übersetzt: heilige Rangordnung. |
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Leitung ist auch für Jesus eine Selbstverständlichkeit. Sie darf aber nicht missbraucht werden. Das beste Mittel gegen Missbrauch ist die Haltung des Dienens.
Es geht um Demut, also Mut zum Dienen. So nennt sich auch der Papst: Servus
servorum, also Diener der Diener. Er hat das höchste Amt in der Kirche inne, und
dennoch ist auch dieses Amt ein Dienst. |
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Es ist nicht immer einfach, die Weisung Jesu zu verwirklichen. Wir sind Menschen
und deshalb in der Regel strebsam. Es geht auch nicht darum, sein
Geltungsstreben zu verleugnen oder zu unterdrücken. Jesus lässt seinen Jüngern
das Verlangen, Erste sein zu wollen. Er sagt ihnen aber auch, dass sie das im
Dienen sein sollen. |
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Demut ist gefragt, damit menschliches Streben sich mit
christlichem Verhalten verbindet. Und es lohnt sich, für den Dienst an Gott und den
Menschen bereit zu sein. |
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Wir sind aufgerufen, uns in gegenseitiger Liebe zu
übertreffen. |
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Es wird nicht unser Nachteil sein, wenn wir das tun. |
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Oder wie sogar der Dichter Christian Morgenstern sagt: |
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Allen Menschen Bruder sein,
allen helfen, dienen, ist, seit er erschienen. Ziel allein. |
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