chronik Grünenbach

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GRÜNENBACHER CHRONIK
 
von den Anfängen bis zur Gegenwart
 
von Pfarrer Herbert Mader
 
Teil 3
 
Seite 5 bis 13

 
Meiner Mutter gewidmet,
deren Wunsch es immer war,
daß der Sohn ein Buch schreibe
 
Vorwort
 
Was 1997 bei der Veröffentlichung der Ebratshofner Chronik als Frage im Raum stand, nämlich:
 
‚Wer wird eine Grünenbacher Chronik schreiben?‘
 
ist hiermit beantwortet. Als Ergebnis von drei arbeitsreichen Jahren liegt nun auch eine Grünenbacher Chronik vor, mehr als 500 Seiten umfassend. Damit hat jede Pfarrei der Pfarreiengemeinschaft Stiefenhofen / Ebratshofen / Grünenbach ihre Chronik mit einem Höchstmaß an Information über das, was war und was ist.
 
Im Gegensatz zum Stiefenhofner Heimatbuch „Stiefenhofen – Mittelpunkt am Rande“ und zur Ebratshofner Chronik kann sich die Grünenbacher Chronik auf Vorgänger beziehen, auf
 
• ENDRES Wendelin Anton,   Die Geschichte der Pfarrei Grünenbach
Verlag Tobias Dannheimer, Kempten 1860
 
• SCHELLER Ludwig, Beiträge zur Ortsgeschichte der Gemeinde Grünenbach
Volkstümliche Veröffentlichungen des Heimatpflegers für den Landkreis Lindau/B. – Heft Nr. 1 ohne Jahresangabe
 
• SATZGER Gebhard, Häusergeschichte der ehemaligen Gemeinde Schönau
Kopie einer Chronik in Maschinenschrift
 
• ADLER Katharina, Lebenslandschaft – Mitteilungen aus dem Allgäu Elster-Verlag 1985
 
Dazu eine kurze Charakterisierung:
 
Das 123 Seiten starke Büchlein von ENDRES ist eine erste Sammlung von Fakten und Daten, die sich durch einen recht blumigen Stil auszeichnet, von dem Kostproben geboten werden. Wo er in die Pfarrbücher Einsicht hatte und für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, das er selbst miterlebte, ist ENDRES durchaus Glauben zu schenken. Von anderem, was weiter zurückliegt, besitzen wir heute genauere Erkenntnisse, so daß manches, was er schreibt, mit einem Fragezeichen versehen werden muß.
 
Die „Beiträge zur Ortsgeschichte der Gemeinde Grünenbach“ von SCHELLER beziehen sich – von wenigen Ausnahmen abgesehen – auf Artikel in den verschiedenen Bänden der WESTALLGÄUER HEIMATBLÄTTER, auf die leider nicht verwiesen wird. Wo immer möglich, wird in der Grünenbacher Chronik auf den originären Beitrag Bezug genommen, der ebenso oft keine Hinweise auf die Quellen bringt, was aber notwendig wäre.
 
Die „Häusergeschichte von Schönau“ von Gebhard SATZGER, die für jedes Haus in der ehemaligen Gemeinde Schönau die Besitzerfamilien bringt, ist verläßlich.
 
Zuguterletzt bietet Katharina ADLER in ihrem Buch „Lebenslandschaft“ Situationsbeschreibungen und ‚Momentaufnahmen‘ der jüngsten Gegenwart.
 
Neben dem, was damit vorlag, war der Verfasser der Chronik auf Mithilfe angewiesen, die ihm auch von vielen Seiten zuteil wurde. Alle Namen aufzuführen, ist leider nicht möglich. In besonderer Weise verdienen Dank
 
–   die Bürgermeister Josef EUGLER und Olaf HOFFMANN, welche den Einblick in alte Archivalien ermöglichten,
 
Rektor i.R. Hubert MÄUSLE, der sich immer wieder nach dem Stand der Arbeit erkundigte und zu nicht wenigem Eigenes beisteuerte,
 
 
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Vorwort
Zwischenlinie

 
–   Antonie KELLER, nunmehr in Ebratshofen, für Zeitungsartikel und detaillierte Angaben über das Schönau von einst,
 
die Vereinsvorstände des Schützenvereins und des Gartenbauvereins sowie die Vorstände der Feuerwehr, der Krieger- und Soldatenkameradschaft, des VdK, der Musikkapelle und des Männerchors, die Protokollbücher zur Verfügung stellten,
 
Thekla HAUSER und Manfred SCHEDEL für die Mithilfe bei der Erstellung der Register und viele andere ...
 
Hilfsbereit waren weiter die einschlägigen Archive, so
 
das Staatsarchiv in Augsburg mit seinem Leitenden Archivdirektor Dr. Reinhardt SEITZ,
 
das Archiv des Bistums Augsburg mit Archivleiter Dr. Stefan MIEDANER,
 
das Bayerische Armeemuseum in Ingolstadt mit seinem Leitenden Museumsdirektor Dr. Ernst AICHNER,
 
das Vorarlberger Landesarchiv in Bregenz mit Hofrat Prof. DDr. Karlheinz BURMEISTER,
 
die sich aus der Arbeit ergebende Fragen prompt beantworteten.
 
Auf die Beigabe von Fotos wurde wegen der Fülle des vorgelegten Bildmaterials verzichtet, da eine gute Wiedergabe der Bilder die Chronik zu sehr verteuert hätte. (Für einen eventuell später erscheinenden eigenen Bildband wären damit jedoch gute Voraussetzungen geschaffen!) An Stelle der Fotos wurden zur Auflockerung des Textes Zeichnungen eingefügt, für die Hermann GIERER, Reinhold OBERMAYER, Heinz SCHUBERT und manch anderem, dessen Namen am Schluß des Buches genannt wird, herzlich gedankt sei.
 
Eine Chronik ist so genau und der Wirklichkeit entsprechend wie die Auskünfte, die dafür eingeholt wurden. Nicht selten mußte Widersprüchliches auf seinen Wahrheitsgehalt hin überprüft werden. Bevorzugt wurde zuguterletzt die sich aus den Umständen ergebende wahrscheinlichere Version.
 
Die Grünenbacher Chronik ist nach dem gleichen Schema wie die Ebratshofner Chronik gegliedert. Damit soll das nunmehrige Miteinander der einst selbständigen Gemeinden angedeutet werden. Der nunmehr letzte Band ist die Gabe des Pfarrers an die Pfarrgemeinde St. Ottmar und die Gemeinde Grünenbach zu ihrem Jubiläum im Jahr 1999. Vieles ist in diesen 750 Jahren seit der urkundlichen Ersterwähnung im Jahr 1249 geschehen, viele Generationen haben in dieser Zeit das Gesicht der Pfarrgemeinde und der politischen Gemeinde geprägt.
 
Auch an der Schwelle zum dritten Jahrtausend sei mit den gleichen Worten aus dem Buch Kohelet (Koh 1,9) geendet, mit denen schon das Stiefenhofner Heimatbuch geendet wurde:
 
Was geschehen ist, wird wieder geschehen,
was man getan hat, wird man wieder tun:
Es gibt nichts Neues unter der Sonne.
 
In diesem Sinne wünsche ich all denen, welche in dieser Chronik die Vergangenheit und die Gegenwart Grünenbachs kennengelernt haben, daß sie nicht unbedingt die gleichen Fehler wiederholen, die schon einmal gemacht wurden.
 
Herbert Mader  
 
Pfarrer
 
 
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Geleitwort des Bürgermeisters
 
Es gibt Menschen, die stellen für ihre Umgebung einen Glücksfall dar. Häufig liegt dieser Glücksfall in den besonderen Talenten, den herausragenden Fähigkeiten und Fertigkeiten dieser Menschen begründet. Ein solcher Glücksfall ist für unsere Gemeinde der Autor dieser Ortschronik, Geistlicher Rat Pfarrer Herbert Mader.
 
Mit unermüdlichem Fleiß, viel Geduld und zäher Kleinarbeit hat Pfarrer Mader ein umfassendes Werk zur Heimatgeschichte unserer Gemeinde geschaffen. Erst zukünftige Generationen werden dieses Werk richtig zu schätzen wissen. Dies möchte ich an der Schwelle des neuen Jahrtausends besonders hervorheben.
 
Im Namen aller Bürgerinnen und Bürger unserer Gemeinde spreche ich Pfarrer Mader unser aller Dank und Anerkennung aus. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern dieser Chronik viel Freude und abwechslungsreiche Stunden bei der Lektüre.
 
Herrn Pfarrer Mader sage ich ein aufrichtiges und herzliches „Vergelt’s Gott“.
 
Grünenbach im Jahr 2000
 
Olaf Hoffmann
 
Bürgermeister von Grünenbach
 
 
7

 
Die Seite 8 ist leer und hat keine Seitennummer.

 
Zum Auftakt
 
 
Zwischenblatt. Zwischenblätter werden bei den Seiten nicht mitgezählt.

 
Viel Natur
 
Seit 1985 wird der vor der Tür Grünenbachs gelegene Bahnhof Harbatshofen von der Deutschen Bundesbahn nicht mehr bedient. Wer aufgrund des Ortsprospektes für einige freie Tage Grünenbach als Urlaubsort gewählt hat, muß sich entweder vom Bahnhof Oberstaufen oder vom Bahnhof Röthenbach abholen lassen bzw. auf einen Bus warten, der ihn ans Ziel bringt. Mit dem eigenen Fahrzeug hat man die Wahl,
 
–   von Süden auf der Staatsstraße 2001 / 1318 (Route Schnellstraße Waltenhofen / Großholzleute – Ausfahrt Weitnau – Sibratshofen – Ebratshofen – Harbatshofen)
 
von Westen auf der Staatsstraße 2001 von Schönau her und
 
von Norden auf der Staatsstraße 1318 aus der Richtung Isny – Maierhöfen
 
das Quartier (Ferienwohnung, Pension, Gästezimmer auf einem Bauernhof) zu erreichen.
 
Auf jeder Strecke warten Überraschungen auf den Ankömmling – auf der Nordroute die landschaftsschonend in den Jahren 1983/86 erbaute Brücke über den Eistobel, auf der Südroute die Apfelbaumallee, welche im Frühling in voller Blüte, an kalten Wintertagen mit Schneekristallen behangen, ein einmaliges Bild bietet, von Westen her die Straßengerade, auf der man zur Rechten den großen Komplex des Milchwerkes erblickt, bevor man in Schönau nach links zu dem der Gemeinde namengebenden Ort einbiegt. Alles in allem Wiesen, Wälder, Hügel, dazwischen Häuseransammlungen mit Bauernhöfen, Kapellen und Gaststätten.
 
Was hat nun Grünenbach zu bieten?
 
Einiges dem, der Naturschönheiten schätzt.
 
–   Da wäre die Wanderung zur Heimhofner Kapelle und zu Hörburgers Berg mit herrlichem Rundblick.
Chronik Seite 9 Natur
 
–   Da wäre die Wanderung zum Staufenberg – 121 m Höhenunterschied zum Ort – am ‚Stein‘, einer alten Thingstätte, vorbei.
 
Da wäre die Wanderung zum Laubenberg – 202 m Höhenunterschied –, von dem man an klaren Tagen eine großartige Fernsicht genießt.
 
Da wäre die Wanderung nach Motzgatsried zum Ebratshofner Kapf mit steilem Abstieg nach Ebratshofen und anschließender Brotzeit im dortigen Gasthof „Ochsen“ oder auf dem Höhenrükken in westlicher Richtung etwas sanfter absteigend mit stärkender Einkehr im Gasthof „Adler“ zu Harbatshofen.
 
Da wäre die Wanderung durch den Eistobel mit seinen Wasserfällen, die auf keinen Fall versäumt werden darf.
 
Wie heißt es im Ortsprospekt?
 
  Wandern in der frischen Luft ist eine der gesündesten und erholsamsten Formen, sich zu bewegen. Also wandern Sie sich gesund! Auf naturbelassenen Wanderwegen oder im Naturschutzgebiet Eistobel, wo ungewöhnliche Naturschönheiten Sie bezaubern. Eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt können Sie hier bewundern, wenn Sie ein wachsamer und interessierter Wanderer sind.
 
Naturerlebnis ist also am Ort in reichem Maße geboten. Dem, der mit dem eigenen Wagen anreist, bietet sich darüber hinaus eine Fülle anderer Möglichkeiten, etwa
 
der Besuch der hübschen alten Städtchen Isny und Wangen mit ihrem historischen Ortskern oder auch der Allgäu-Metropole Kempten,
 
der Trip zum Bodensee mit Besichtigung der Inselstadt Lindau, die dem Landkreis den Namen gab,
 
die Fahrt über Ländergrenzen hinweg nach Vorarlberg, zu dem das Westallgäu bis 1806 gehörte, oder in die Schweiz, wo im Kloster St. Gallen Grünenbachs Kirchenpatron St. Ottmar geehrt wird.
 
Doch warum in die Ferne schweifen? Grünenbach selbst hat ebenso viel ‚Historisches‘ zu bieten, von dem nachfolgend die Rede sein wird.
 
 
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Urgewalten
 
Ein eigener Faltprospekt der Stadt Isny sowie der Gemeinden Grünenbach und Maierhöfen weist auf den Eistobel hin, welcher ohne Zweifel zu den Attraktionen des Westallgäus zu rechnen ist. Seine Geschichte ist allerdings nicht aus Urkunden abzulesen, denn er stammt aus einer Zeit, in der man nicht mit Jahren, Jahrzehnten und Jahrhunderten, sondern mit Jahrtausenden, ja mit Jahrhunderttausenden rechnete.
 
Gliederung des Pleistozäns
 
2.400.000    Biber-Kaltzeiten
Biber-Donau-Warmzeit
Donau-Kaltzeiten
Donau-Günz-Warmzeit
730.000  –      Günz-Eiszeit
Günz-Haslach-Warmzeit
Haslach-Eiszeit
Haslach-Mindel-Warmzeit
   – 380.000   Mindel-Eiszeit
Mindel-Riß-Warmzeit
   – 130.000   Riß-Eiszeit
130.000  – 115.000   Riß-Würm-Warmzeit
115.000  – 10.200   Würm-Eiszeit
10.200  –     Nacheiszeit Holozän
Die erdgeschichtliche Epoche, der wir uns nun zu- wenden müssen, ist das vierte Erdzeitalter, das Quartär. Dies zerfällt in die zwei Abschnitte Plei- stozän (=-damals existierten die meisten jetzt noch lebenden Arten in Fauna und Flora) und Holozän (= nun existieren alle jetzt noch lebenden Arten). Das Pleistozän ist der der Gegenwart (Holozän) vor- ausgehende Zeitabschnitt der Erdgeschichte. Sein beherrschendes Ereignis war die Entwicklung mäch- tiger Vergletscherungen in den Hochgebirgen und anderen Teilen der Erde. Infolge einer allgemeinen Klimaverschlechterung häuften sich die als Schnee fallenden Niederschläge, die sich zu Firn und festem Gletschereis verdichteten. Die stark angeschwol- lenen Gletscher rückten aus den Tälern der Alpen ins Vorland und vreinigten sich zum Teil zu einer Vor-
landvergletscherung. Dieser Vorgang wiederholte sich, aber nicht immer in demselben Ausmaß.
 
Beim Vordringen nahm das Eis den Gesteinsschutt des Untergrundes in seine tiefsten Partien auf. Fror es auf seiner Unterlage fest, so konnte es große Blöcke aus ihrem Verband reißen. Den mitgeführten Schutt verarbeitete es zur Grundmoräne (= regelloses Gemisch aus Ton, Sand und Kies mit Steinen).
 
In den Hochgebirgen folgten die Gletscher den Tälern. Vor den Eiszeiten waren die Alpentäler windungsreiche, im Querschnitt V-förmig angelegte Flußtäler. Der diese Täler benützende und sie bis zu großer Höhe ausfüllende Eisstrom hat sie jedoch im Laufe vieler Jahrtausende entscheidend umgeformt. Der Felsboden wurde abgeschürft und abgesplittert, die Talwände wurden immer steiler und so ein Trog geschaffen, in dem der Hunderte von Metern breite Eisstrom möglichst ungehindert abfließen konnte. Die V-Form wandelte sich zur U-Form. Aus der Schliffgrenze, bis zu der hinauf die Flanken der Täler
 
Nach dem Verlassen der Gebirgszone breiteten sich die Eisströme fächerförmig aus, wodurch sich natürlich die Eisdicke verringerte und damit der Gletscher stärker abtaute. Der aus den Alpen verfrachtete Schutt im Eise, auf dessen Grund und auf seinem Rücken verteilt, schmolz aus dem Glet-scher heraus und wurde am Grund des Eises als wellige Grundmoräne, am Gletscherende als Endmoräne gestapelt. Die so geformten langgestreckten Höhenzüge wurden zum Teil auch von dem in späteren Kälteperioden erneut vordringenden Eis zusammengestaucht.
 
An die Endmoräne schließt sich nach außen hin im allgemeinen ein ebenes Gebiet an. Es sind Flächen, auf denen die dem Eis entströmenden Schmelzwasser das aus der Moräne aufgenommene Material wieder ablagerten, wobei entsprechend der nachlassenden Transportkraft des Wassers Grobes in Eisrandnähe, Feineres jeweils weiter entfernt abgesetzt wurde.
 
Besonders deutlich ausgeprägt und oft mehrfach gestaffelt, liegen die Endmoränenkränze der letzten, der Würm-Eiszeit da. Als bewaldete Hügelketten grenzen sie die tieferliegenden Becken der einstigen Gletscherzungen im Süden an den flachen Schotterfeldern der Schmelzwasser im Norden ab.
 
Über diese Würm-Eiszeit schreibt Herbert SCHOLZ („Bau und Werden der Allgäuer Landschaft“, S. 238):
 
 
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Urgewalten
Zwischenlinie

 
  „Vor etwa 25000jahren begann eine Periode, in der das Klima in Mitteleuropa extrem kalt wurde. Die Jahresmitteltemperaturen sanken immer weiter ab und erreichten schließlich im Alpenvorland Werte bis unter –3 Grad Celsius (heute +7 bis +8). Die Gletscher begannen in Schüben zu wachsen ... Vor etwa 23000 Jahren scheinen ihre Zungen ins Alpenvorland vorgestoßen zu sein, hatten offenbar vor etwa 20000 Jahren ihre würmeiszeitlichen Maximalstände erreicht und schmolzen dann Zug um Zug ... allmählich in Richtung Alpen zurück. Diese kälteste Periode der Würm-Eiszeit, die vor etwa 15000 Jahren ... ihr Ende fand, nennt man das Hochglazial der Würm-Eiszeit.“
 
Von Osten her sandte der Illergletscher breite Eiszungen durch die Quertäler der Nagelfluhkette nach Westen, wurde aber dann durch den Rheingletscher aufgehalten, der fast bis zur Donau vorstieß, im Allgäu aber schon in der Gegend von Leutkirch, Isny und Oberstaufen endete.
 
Während der Eiszeiten gab es im Allgäu kaum Tiere und Pflan- zen, denn das blanke Eis bot keine, die subarktische Landschaft nördlich der Gletscherzungen (bei uns Argen-Leiblach- und Rothachzunge) nur geringe Lebensmöglichkeiten. Diese bestan- den jedoch in den wärmeren Zwischeneiszeiten, in denen ein
Chronik Seite 11 Höhlenbär
 
Höhlenbär
dem heutigen vergleichbaren Klima herrschte. Die Vegetation der Tundren mit ihrer kältegewohnten Tierwelt wie Mammut und Ren wich in den Zwischeneiszeiten Misch- und Nadelwäldern, die sich allmählich selbst die vom Eis freigegebenen Gebiete der inneren Alpentäler eroberten. Von nachfolgenden erneuten Vereisungen wurden die Ablagerungen der wärmeren Zwischeneiszeiten allerdings meist wieder zerstört.
 
Vor ungefähr 12000 Jahren zog sich dann das Eis endgültig zurück. Es wurde wieder wärmer. Manchmal verharrte der Gletscherrand für längere Zeit an der gleichen Stelle und baute erneut Moränenkränze auf. Besonders der Rheingletscher hinterließ im Boden- seegebiet deutliche Spuren. Das Allgäu glich damals mit seinen blinkenden Seenflächen dem heutigen Finnland, denn in den Senken der welligen Grundmoränenlandschaft staute sich das Wasser über dem lehmigen Boden und überall da, wo in der Hauptstoßrichtung der einstigen Gletscher tiefere Zungenbecken ausgeschürft worden waren, entstanden größere Seen. So hat sich im Bodensee die Wasserfülle des gewaltigen Zungen- beckens des Rheingletschers erhalten.
 
Wie die Chronologie zeigt, kennt man zwar die Abfolge der verschiedenen Kalt- und Eiszeiten, nicht aber die genaue zeitliche Dauer. Während man zunächst von einer
Chronik Seite 11 steinzeitliche Jäger
 
steinzeitliche Jäger
einzigen, lange andauernden Vereisung ausging, gelang es dem Geographen Albrecht PENCK, durch Vergleich der vom Eis mitgeführten Schottermassen vier Vereisungen (in der Chronologie fett gedruckt) zu unterscheiden. Sie wurden inzwischen durch weitere Kälteperioden ergänzt.
 
Noch einmal Herbert SCHOLZ (a.a.O., S. 240):
  „Der mit dem Illgletscher vereinigte Rheingletscher und der Bregenzer-Ach-Gletscher flossen im Alpenvorland zu einem einzigen, riesigen Eiskuchen, dem Rhein-Bodensee-Vorlandgletscher zusammen. Seine Eisoberfläche lag im Rheintal bei Bregenz 1150 m hoch, senkte sich von hier aus allmählich nach Norden und Nordosten hin ab, um an den Eisrändern bei Leutkirch und Maierhöfen immerhin noch Höhen zwischen 660 und 750 m zu erreichen. Teile des Sulzberger Rückens, der Laubenberg, der Balzerberg ... scheinen aus dem Eispanzer herausgeschaut zu haben ...
 
  Bis über das Andelsbucher Becken hinaus folgte der Bregenzer-Ach-Gletscher dem Tal der heutigen Bregenzer Ach. Vom Rheingletscher wurde er nach Nordosten hin abgedrängt und war
 
 
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Urgewalten
Zwischenlinie

 
  gezwungen, als Weißach-Lobas (Lobas = Lappen) dem Weißachtal aufwärts zu folgen. Das Eis staute sich an der Salmaser Höhe bei Oberstaufen und drang mit einerZunge ins Tal der Oberen Argen ... Östlich am Pfänder vorbei, das Rothachtal aufwärts, schob sich der Rothach-Lobus über Röthenbach hinaus nach Nordosten vor. Eine Teilzunge des Rothack-Lobas drang bei Harbatshofen ins Tal der Oberen Argen ein und rückte überEbratshofen bis gegen den Schüttentobel vor. Auch von Norden reichte eine Teilzunge ein Stück weit in die (damals freilich noch nicht so stark eingetiefte) Rinne des Eistobels hinein.
 
  ... Die Zungen des Argen-Leiblach-Lobus stießen über Isny hinaus bis Maierhöfen, Großholz- leute, Urlau ... nach Osten bzw. Nordosten vor. Während des Eishöchststandes schmiegte sich der Eisrand des Argen-Leiblach-Lobus westlich des Eistobels noch eng an die Molassehöhen des Balzer- und Laubenberges an ...
 
Nach dieser Exkursion in die Eiszeit(en) wäre noch eine Wanderung in eine weiter zurückliegende Epoche fällig, zu der Anton ZUMSTEIN einlädt:
 
... Jeder aufgeschlossene Naturfreund, welcher den Eistobel durchwandert, wird finden, daß hier Mergel, Sand, Sandstein und Nagelfluh, in dünneren und dickeren Bänken aufeinanderliegend, vielfach miteinander abwechseln. Er wird auch feststellen, daß an den Stellen, wo mächtigere, weiche, vom Wasser leicht angreifbare Mergel- oder Sandbänke vorkommen, sich das Flußtal etwas erweitert, während umgekehrt an solchen Stellen, wo mächtige harte, widerstandsfähige Nagelfluhbänke in das Tal eintreten, sich dieses verengt.
 
Er wird weiter sehen, daß die Gesteinsbänke nicht mehr horizontal liegen, wie sie ursprünglich abgesetzt wurden, sondern nach Nordwesten einfallen, somit nach ihrer Entstehung durch irgendwelche geologische Kräfte aufgerichtet wurden – und zwar im Nordosten nahe der Eistobelbrücke mit 10 – 15 Grad, flulßaufwärts allmählich steiler und schließlich bei Schüttentobel mit 30 – 40 Grad.
 
Durch diese Auffaltung der Schichten und den Durchbruch der Argen haben wir die Möglichkeit, einen Blick in die vor dem Quartär liegende Tertiärzeit zu werfen. Die einsehbaren Schichten in einer Mächtigkeit von insgesamt rund 700 m geben in dem unteren Teil von ca. 300 m Dicke mit Versteinerungen von Meerestieren einen Hinweis auf ein einst hier bestehendes Meer, während der obere Teil – ca. 450 m dick – mit seiner Molasse und Schneckenschalen die Existenz eines Süßwassersees voraussetzt. Mehr darüber auszuführen, ist Sache des Geologen.
 
Noch ein Letztes:
 
Warum hat die Argen den Molassezug Laubenberg-Kugel an der Stelle des heutigen Eistobels durchbrochen?
 
Wieder soll Anton ZUMSTEIN die Antwort geben:
 
Der Molassezug Laubenberg-Kugel wird ungefähr an der Stelle des heutigen Eistobels von einer Querstörung durchsetzt, an welcher die Schichten gegeneinander verschoben sind. Diese Störung entstand bei derAuffaltung der Molasseschichten, die noch in der letzten Phase des Teritär erfolgte. So entstand im Laubenberg-Kugel-Höhenzug an der Stelle des heutigen Eistobels eine Schwächezone, in welcher sich die von außen einwirkenden Kräfte Regen, Schnee, Eis, Frost und Verwitterung stärker und rascher geltend machen konnten als in den Nachbarbereichen. Diese Schwächezone war also geradezu prädestiniert für die Bildung eines Wasserlaufes.
 
Man sieht, daß man auch im Buch der Natur blättern kann und auf diesem Wege interessante Auskünfte erhält. Man muß nur wissen, wie es gemacht wird.
 
 
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Urgewalten
Zwischenlinie

 
Chronik Seite 13 Rheingletscher
 
  Der Rheingletscher vor etwa 25000 Jahren.
Das nicht vereiste Gebiet ist schräg schraffiert.
Die über das Eis aufragenden Gipfel sind durch eine Pyramide gekennzeichnet. Die dicken Pfeile zeigen die Bewegungsrichtungen des Eises, dessen Endmoränen dicke Randlinien sind.
 
 
 
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Diese Seite wurde am 19. Juli 2010 erstellt
und am 4. Juni 2012 zuletzt bearbeitet.