Chronik Grünenbach

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GRÜNENBACHER CHRONIK
 
von den Anfängen bis zur Gegenwart
 
von Pfarrer Herbert Mader
 
Teil 4
 
Seite 14 bis 20

 
Die Erschließung des Eistobels
 
Die Isnyer Stadtarchivarin M. STÜTZLE hat in Stichworten die einzelnen Phasen der Erschließung des Eistobels für naturbegeisterte Wanderer festgehalten. Und das sind ihre Notizen:
 
1866 berichtet der Isnyer „Stadt- und Landbote“ von einem Besuch im Eistobel.
 
1878/79 kommt der bekannte Geologe Prof. Dr. FRAAS ins Allgäu und stellt wissenschaftliche Untersuchungen an, über die der „Schwäbische Merkur“ einen ausführlichen Bericht bringt.
 
1879 Besuch des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins. Dabei wird festgestellt, daß neben dem Schwarzen Grat die Riedholzer Wasserfälle ein besonders bevorzugtes Ausflugsgebiet sind.
 
1881 Gründung der „Sektion Schwarzer Grat“ des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins.
Diese Sektion übernimmt die Erschließung des Eistobels,
den Ausbau der Wege zu den Wasserfällen und
– die Errichtung eines eisernen Steges am ‚Zwing‘.
Bevor dieser eiserne Steg angelegt wurde, mußte man, um auf die andere Seite der Argen zu kommen, an dieser Stelle den Tobel überspringen.
 
Chronik Seite 14 Eistobel
1883 macht Prof. FRAAS den Vorschlag, die Untere Argen und die Obere Argen in ‚Isnyer Argen‘ und ‚Wangener Argen‘ umzubenennen, da die ‚Obere Argen‘ ca. 20 m tiefer liegt als die ‚Untere Argen‘.
 
1884 Beendigung der Erschließung des Eistobels durch eine Weganlage. Der Name ‚Eistobel‘, von den bizarren Eisbildungen im Winter herrührend, wird nun allgemein gebräuchlich.
 
1890 Anlage der Leitern, welche die Wege miteinander verbinden.
 
1897 In Isny wird ein Fremdenverkehrsverein ge- gründet, damit wird die Werbung für und mit dem Eistobel verstärkt.
 
1905 Die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg, kurz MAN genannt, beginnt mit dem Bau der Argentobelbrücke, die den Tobel zwischen Maierhöfen und Grünenbach überspannt. – Zuvor hatte eine hölzerne Hängebrücke die beiden Orte miteinander verbunden.
 
1907 Eröffnung der neuen Argentobelbrücke, die mit einer Länge von 204 m und einer Höhe von 54 m die längste und höchste Brücke Bayerns war. Des Winddruckes wegen wurden die Pfeiler als ‚Pendelpfeiler‘ erbaut, d.h. bei jedem Pfeiler war ein Fuß fest verankert, der andere Fuß befand sich auf einem Rollenlager. Die Brücke hatte eine Tragkraft von 6 t und kostete ca. 250000,– M.
 
  Der Fremdenverkehrsverein Isny und der Schwäbische Albverein übernimmt die Schirm- herrschaft über den Eistobel. Weiterer Ausbau der Weganlagen.
 
1916 Gründliche Ausbesserung der inzwischen in Verfall geratenen Weganlage durch in Isny stationierte Württembergische Gebirgstruppen.
 
1922 Gründung des Vereins zur Erhaltung der Naturschönheiten des Eistobels unter dem Vorsitz des damaligen Lindauer Bezirksamtsvorstandes Graf von HIRSCHBERG. Die Gründung erfolgte in Grünenbach. (Mitglieder: Ebratshofen, Grünenbach, Maierhöfen und Isny)
 
1925 Ausbau des oberen Tobelweges nach Schüttentobel durch Sprengung.
 
1931 Neubau des Aussichtsturmes auf dem Laubenberg (inzwischen abgebrochen!).
 
 
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Die Erschließung des Eistobels
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1935 Ausbau des Zwingers
 
1936 wird zur Deckung der Unkosten ein Eintrittsgeld in Höhe von –,10 RM erhoben.
 
1945 Da bei Kriegsende die Anlagen in sehr schlechtem Zustand waren, wird der Zugang zum Eistobel verboten.
 
1946 wird der Verein zur Erhaltung der Naturschönheiten des Eistobels durch die französische Militärregierung aufgehoben.
 
1949 Bürgermeister KINKELE von Isny ruft eine „Arbeitsgemeinschaft Eistobel“ ins Leben, um den Eistobel mit seinen Naturschönheiten der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen. Leiter dieser Arbeitsgemeinschaft wird Hauptlehrer Paul RIEGER von Riedholz. Nach einer Besichtigung durch den Eindauer Landrat Dr. BERNKLAU wird im Juli 1949 das Begehen des Tobelweges wieder erlaubt.
 
1955 wird bei der Fabrik Schüttentobel ein eiserner Steg errichtet und am Stausee ein Ausweichweg angelegt.
 
1957 werden ca. 15.300 Besucher des Eistobels gezählt.
 
1958 wird der Aufstieg zur Eistobelbrücke bequemer gemacht, ca. 3,6 km Weg werden gekiest.
 
1959 wird die Leiterpartie instandgesetzt. Der lange Steg beim Zwinger wird neu angelegt.
Mit einem Schreiben des Landratsamtes Lindau vom 17.12.1959 wird im Eistobel ein Natur- schutzgebiet ausgewiesen. Es heißt in
  § 2 Das Schutzgebiet hat eine Größe von 70,21 ha und erstreckt sich von der Argen- tobelbrücke im Zuge der Landstraße I. Ordnung Nr. 1318 zwischen Grünenbach und Maierhöfen im Norden bis zur Argenbrücke bei der ehemaligen Metallwarenfabrik Schüttentobel im Süden.
  § 3 Im Bereich des Schutzgebietes ist es verboten,
    Pflanzen zu beschädigen, auszureißen, auszugraben oder Teile davon wegzunehmen,
    freilebenden Tieren nachzustellen, sie mutwillig zu beunruhigen, zu ihren Fang geeignete Vorrichtungen anzubringen, sie zu fangen oder zu töten ...
    die Wege zu verlassen, zu baden, zu zelten, Feuer anzumachen, Abfälle wegzuwerfen oder das Gelände auf andere Weise zu beeinträchtigen,
    Schutt oder Müll abzulagern ...
 
1962 wird in der Nähe der Eistobelbrücke ein neuer Eisensteg errichtet.
 
1965 wird im Bereich Schüttentobel ein neuer Fahrweg angelegt.
 
1966 wird am oberen Wasserfall ein eiserner Umgehungssteg erstellt.
Am 19.01.1966 stirbt Oberlehrer i.R. Paul RIEGER im Alter von 77 Jahren.
 
1967 wird der eiserne Steg entlang des oberen Stausees neu gebaut. Ein Felsweg wird einge- sprengt, die bisherigen eisernen Leitern werden entfernt.
 
1968 wird ein neuer Eistobelprospekt herausgegeben.
 
1970 wird ein 50 m langer Felsenweg entlang des Stausees eingesprengt.
 
Soweit Frau STÜTZLE.
 
Nun die Besucherzahlen:
 
1962 21.623   1962 59.540   1995 53.335
1965 22.540   1985 56.857   1996 41.418
1970 34.181   1990 –––––   1997 51.572
1975 49.830   1991 50.818      
 
1983 wird mit dem Bau der neuen Argentobelbrücke begonnen.
 
1984 wird am 17. November der Brückenbogen über dem Eistobel geschlossen.
 
1986 wird die Eintrittsgebühr für Erwachsene auf DM 1,– für Kinder auf DM –,50 erhöht. Ein Schild wird angebracht: Begehen zwischen dem 01.11. und dem 30.04. auf eigene Gefahr.
 
 
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1987 widersteht die alte Argentobelbrücke am 8. Oktober einem ersten Sprengversuch. Tags darauf rückt Sprengmeister Heinz POLKE der Stahlkonstruktion mit einem Schweißbrenner zu Leibe. Auf der Grünenbacher Seite war die Brücke bei der Sprengung bereits geknickt worden. Um 18.30 Uhr stürzten die Stahlträger in die Tiefe.
 
1988 wird ein neuer Prospekt in Auftrag gegeben. Da der Eistobel im Winter geschlossen ist,sollen die Winterbilder gegen Sommerbilder ausgetauscht werden.
 
1990 macht am 27. Februar ein orkanartiger Sturm die Wege im Bereich des Stausees durch Windbruch unbegehbar. Im März hinterläßt ein Hochwasser an den Ufern der Argen seine Spuren.
In seinem „Allgäu-Wanderbuch“ schreibt Hubert KULMUS über den Eistobel:
Familienfreundliche Wanderung im Naturschutzgebiet Zu jeder Jahreszeit empfehlenswert. Gepflegte Weganlage durch eine romantische, 3 km lange Schlucht mit tosenden Wasserfällen und Gletschertrichtern. Geringe Steigungen durch schattigen Mischwald.
Dazu etwas bissig einer, der im Winter den Eistobel durchwandert hat:
 
  Ich habe heute, am 12.01.92, diese ‚familienfreundliche Wanderung‘ unternommen, die ja laut
Chronik Seite 16 Eistobel Wanderbuch ‚zu jeder Jahreszeit‘ empfehlens- wert ist, und mich unfreiwillig die meiste Zeit in der Gefahr bewegt, mir die Knochen brechen zu können. Leider sagt das Schild „Begehen des Eistobels auf eigene Gefahr“, welches am Beginn des Weges aufgehängt ist, nichts darüber aus, daß fast der gesamte Weg von einer Eisfläche überzogen ist. Bei der leichten Hanglage des Weges besteht demzufolge die Gefahr, daß man jederzeit ‚in den tosenden Bach‘ abrutschen kann. Ich hatte glücklicherweise gutes Schuh- werk an, konnte aber in vielen Fällen das Abrutschen nur dadurch verhindern, daß ich auf allen Vieren den Weg entlang gerutscht bin ...
 
1992 werden neue Prospekte gedruckt.
 
1993 meldet der WESTALLGÄUER am 24. April: „Das kleine Museum für die Argentobelbrücke ist fertig, das Modell der alten Stahlgitterbrücke steht schon drin ... Künftig müssen die Besucher des Eistobels statt bisher einer Mark DM 2,– Eintritt bezahlen (für Kinder die Hälfte). Gestiegene Unterhaltskosten machte Grünenbachs Bürgermeister Josef EUGLER in der Sitzung des Kreiskulturausschusses in der Laubenberghalle für diese Erhöhung verantwortlich.“
 
1995 ließ die Fördergemeinschaft Eistobel für DM 14000,– durch eine Firma in Wangen ein Video über den Eistobel herstellen. Die Kassette ist leider ihr Geld nicht wert. Und so lautet das Urteil eines Käufers: „Personen, die den Eistobel noch nicht kennen, werden durch dieses Video mit Sicherheit nicht dazu animiert, den Eistobel kennen und lieben zu lernen und zu erwandern.“
 
1997 stürzt am 16. Oktober ein 61-jähriger Eistobelbesucher aus Halle, der seiner Gruppe vorausge- gangen war, über eine 25 m hohe Steilwand auf eine Felsenplatte an der Argen ab. Vermutlich war er sofort tot. Da die Unfallstelle schwer einsehbar ist, wird der Verunglückte erst nach Tagen gefunden. Die Kriminalpolizei schloß ein Fremdverschulden aus. – Aufgrund dieses Unglücksfalles werden an beiden Eistobeleingängen Hinweistafeln mit folgendem Text angebracht:
 
  Das Begehen des Eistobels ist zu allen Jahreszeiten nicht ganz gefahrlos. Durch Unachtsamkeit kommt es leider immer wieder zu bedauerlichen Unfällen. Beachten Sie deshalb ganz
 
 
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  besonders folgende Regeln:
  1. Tragen Sie festes Schuhwerk, d.h. geeignete Wanderschuhe mit Profilsohlen.
  2. Begehen Sie nur die befestigten und vorgegebenen Wege.
  3. Halten Sie angemessenen Abstand zu steil abfallenden Felsrändern und Hängen.
  4. Vermeiden Sie unter allen Umständen Lauf- und Fangspiele
(besonders auf Kinder achten!).
  5. Begehen Sie den Eistobel mit Bedacht und der nötigen Vorsicht.
 
1998 erhält die „Fördergemeinschaft Eistobel“ eine Satzung.
 
  In § 2 wird als ‚Zweck des Vereins‘ angegeben:
Zweck des Vereins ist die Pflege und der Unterhalt des Naturschutzgebietes Eistobel im Bereich der Gemarkungen Grünenbach und Maierhöfen. Einen Schwerpunkt bildet hier insbesonders die Instandsetzung und der Unterhalt der Wegeanlagen und Ruhepunkte im Eistobel und der Zugänge dazu.
Unter den amtlichen Bekanntmachungen erscheint folgende Notiz:
In das Vereinsregister des Amtsgerichts Lindau wurde heute, den 03.06.98, unter VR-606 eingetragen die „Fördergemeinschaft Eistobel e.V.“ mit dem Sitz in Grünenbach.
Am Ende dieser Chronik verdienen jene Männer erwähnt zu werden, die sich in Grünenbach mit großem Engagement der Erschließung des Eistobels für naturbegeisterte Wanderer annahmen und noch annehmen:
 
1922 Gründung des Vereins zur Erhaltung der Naturschönheiten des Eistobels
Vorsitzende:
  1922–1934 BILDSTEIN, Xaver, 1919–1933 Bürgermeister in Grünenbach
  1935–1938 IMMLER, Georg
  1939–1945 RIEGER, Paul, Hauptlehrer in Riedholz
  1946 Aufhebung des Vereins durch die französische Besatzungsmacht
 
1949 Gründung der Arbeitsgemeinschaft Eistobel
Leiter bzw. Vorsitzende:
  1949–1966 RIEGER, Paul, s.o.
  1966–1983 IMMLER, Georg, 1945–1978 Bürgermeister in Grünenbach,
danach Altbürgermeister
  1983–1984 KALUSCHE, Dr. Fritz, 1978–1984 Bürgermeister in Grünenbach
  1984–1996 EUGLER, Josef, 1984–1996 Bürgermeister in Grünenbach
  1996 HOFFMANN, Olaf, 1996– Bürgermeister in Grünenbach
 
Abgeschlossen sei dieses Kapitel mit einer Beschreibung des Eistobels durch Klaus Jürgen FRITZSCHE in seinem Artikel „Der Eistobel, ein unberührter Urweltbezirk“:
 
... Der erste große Wasserfall stürzt über eine breite Felsbarriere aus hartem Nagelfluh in ein weites Becken mit tiefgrünen Gletschertöpfen. Diese eigenartigen geologischen Gebilde sind in der Eiszeit entstanden, als die in die Gletscherhöhlen verschwemmten Steine durch kreisende Bewegung den Felsuntergrund ausschürften. Der größte Gletschertopf des Eistobels ist 15 m breit und fast 10 m tief.
 
Vom ersten Wasserfall aufwärts hat der Tobelweg fast alpinen Charakter, aber durch Geländer ist an allen ausgesetzten Stellen für die nötige Sicherheitgesorgt. Der nächste Höhepunkt auf der Wanderung ist der ‚Zwinger‘. Eng nebeneinanderliegende Nagelfluhblöcke versperren hier der reißenden Argen den Weg. Das Wasser muß sich tosend und schäumend durch die Enge zwängen und stürzt dann in steilen Kaskaden das Felslabyrinth hinunter.
 
Nur wenig oberhalb des Zwingers macht eine Hinweistafel auf eine geologische Erscheinung aufmerksam, die man außerhalb des Eistobels kaum noch einmal so sauber freigelegt und auch für den Laien leicht erkennbar finden kann. Unvermittelt stoßen zwei verschiedene erdgeschichtliche Formationen aufeinander, und in jähem Wechsel folgen auf die Nagelfluhfelsen hohe Sandsteinwände. Beide Gesteine sind zwar gleich alt – nämlich rund 30 Millionen Jahre – aber auf verschiedene Art entstanden. In der Tertiärzeit trugen die Flüsse aus dem Gebirge Schutt, Sand, Schotter, Kalktuffe
 
 
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Die Erschließung des Eistobels
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und Mergel in die Senke zwischen den Alpen und dem Jura. Unter dem ungeheuren Druck von Süß- und Meereswasser wurden die Ablagerungen dann zu Nagelfluh und Sandstein zusammengebacken. Nach ihrer Entstehungsart bezeichnet der Geologe diese Gesteine als Süßwasser- oder Meeresmolasse.
 
Mit dem Wechsel der erdgeschichtlichen Formationen ändert sich auch das Landschaftsbild im Eistobel. Er weitet sich etwas. Mischwald beschattet die Talsohle und das Wasser der Argen fließt ruhiger. Aus dem gegenüberliegenden Ufer wächst eine 50 m hohe, fast senkrechte Sandsteinwand empor.
 
Die nächste Flußenge mit ihren tückischen Gletschertöpfen und Strudellöchern wird auf einem ausgesprengten Felsweg überwunden. Wenn man die Gedenktafel passiert hat, die an die Erschließung im Jahre 1884 erinnert, steht man schon im obersten Teil des Eistobels. Hier kann man noch im Frühjahr Reste der blauschimmernden Eiswände finden, die der Schlucht den Namen gaben. Wer diese aber in ihrer ganzen Pracht erleben will, muß im Winter den Tobel durchwandern. Alle Felsen sind dann von einem glitzernden Panzer umgeben, und an den überhängenden Wänden hat die Natur Eisbildungen von überwältigender Größe und Schönheit geschaffen.
 
Auf einem hohen Steg überquert man die letzte und schmalste Flußenge. Von hier aus bietet sich ein eindrucksvoller Blick zurück in die wilde Romantik der Schlucht. Am Eistobelsteg gabeln sich die Wege. Rechts zeigt ein Wegweiser in Richtung Grünenbach. Schneller allerdings erreicht man den Ausgangspunkt der Wanderung, wenn man den Fluß überquert und dann in nördlicher Richtung nach Riedholz geht, das dann kaum noch zehn Wegminuten von der Eistobelbrücke entfernt liegt.
 
Schließlich kann man auch am östlichen Ufer weiter flußaufwärts wandern. Am Ende des kleinen Stausees, an dem man auf diesem Weg vorbeikommt, steigt eine 50 m hohe Nagelfuhwand, die mächtigste des Eistobels, lotrecht aus der Flut auf. Nach einer weiteren Viertelstunde erreicht man den südlichen Ausgang des Eistobels bei den Häusern von Schüttentobel ...
 
 
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Flurnamen beschreiben eine Landschaft
 
Man darf voraussetzen, daß sich jeder unter einer Wiese, einer Viehweide und einem Acker etwas vorstellen kann. Diese Bezeichnungen in den amtlichen Grundstücksverzeichnissen weisen auf die Art der Bewirtschaftung hin, für die sich der betreffende Boden besonders eignet. Während heute in Grünenbach das Grün der Wiesen ins Auge sticht und damit Grünlandwirtschaft vermuten läßt, war das noch vor 150 Jahren anders. Die Kataster, die um 1840 im Auftrag der Regierung angelegt wurden, geben diesbezüglich eindeutige Hinweise. So sind
– 30 Flurnamen zusammengesetzt mit -wiese, z.B. Binsenwiese, Dobelwiese, Fuchswiese, Kallenwiese, Steinwiese, Stierwiese, Veitenwiese,
– 14 Flurnamen mit -viehweide, z.B. Bärenbrandviehweide, Löcherviehweide, Rothheideviehweide, Tobelviehweide, Ziehbrandviehweide,
– 44 Flurnamen mit -acker, eine erstaunlich große Anzahl. Hier wären zu erwähnen Bühlacker, Galgenacker, Hennenacker, Lochacker, Scheibenacker, Schwandacker, Tiefenbachacker, Wasserstallacker usw.
 
Trotz des verhältnismäßig rauhen Klimas wurde also einst Getreide angebaut, zunächst hauptsächlich Sommergetreide, später auch Wintergetreide.
 
Ebenfalls mit der Landwirtschaft hängen andere Begriffe zusammen, die man zwar hört, aber nicht immer zu deuten weiß. Was ist ein ‚Rain‘? Was ist ein ‚Anger‘ oder gar ein ‚Schachen‘?
 
Unter Rain – er begegnet in den Flurnamen Grasrain, Grundrainbühl, Rainholz – versteht man den ungepflügten Streifen zwischen den Äckern oder auch einen Abhang.
 
Anger – als Flurbezeichnung bei Hasenanger, Herrenanger, Hofstallanger, Laubenberganger, Winkelanger – ist ganz allgemein ungepflügtes Grasland.
 
Schachen – in der Zusammensetzung Schachenwiesen, Stierschachen, Tobelschachen – ist ein irgendwo stehengebliebener Waldrest.
 
Weitere Flurnamen geben Bescheid, wie die Gegend um Grünenbach beschaffen ist. Da wären
zwei Berge, der Laubenberg – erwähnt als Laubenberger Holz – und der Staufenberg – in der Zusammensetzung Staufenbergholz – der eine 919 m, der andere 838 m über dem Meeresspiegel gelegen,
neunzehn Erdbuckel, Bühl genannt – als Flurnamen Bühlanger, Ellhofer Bühl, Kirchenbühl, Kohlbrennerbühl, Sägenbühl, Schleifenbühl –
elf Bäche – darunter der Ey(en)bach, der Hofbach, der Kallenbach, der Sägertobelbach, der Schwarzenbach, der Tiefenbach – eine Anzahl feuchter Wiesen,
als Brühl in den Katastern erscheinend – z.B. Auf ‘m Brühl‚ Der rauhe Brühl –
Möser und Mösle, die für die Torfgewinnung wichtig waren – z.B. Heinzenmösle, Veitenmoos, Wasenmoos (in zehn Parzellen) – und schließlich
Tobel und Töbele, schluchtenartige Geländeeinschnitte, auf deren Grund ein Bach oder Bächlein rauscht – z.B. Brühltobel, Eistobel, Eyentobel, Kreuztobel, Winkeltobel, Winkeltobelholz.
 
Auf einige originelle Flurnamen soll noch kurz eingegangen werden:
Das Krautgartenhölzle ist wohl eine winzige Parzelle, nicht viel größer als ein Krautgarten. Die Mausenhaldenwiesen sind wahrscheinlich abschüssige Wiesen, auf und unter denen sich Mäuse tummelten. Der Wasserstallacker hat nichts mit einem Stall zu tun, sondern mit einer Wasserstelle, die sich bei ihm findet.
 
Für den Flurnamen Sauacker seien mehrere ‚Erklärungen‘ angeboten:
Erstens könnte diese Bezeichnung auf einen Stoßseufzer des Besitzers hinweisen, dem das Ackern auf diesem Feld aus welchen Gründen auch immer große Schwierigkeiten bereitete.
Zweitens könnte dieser Flurname mit Wildschweinen zusammenhängen, die auf ihre Weise ‚ackerten‘ und mühevolle Arbeit immer wieder zunichte machten.
Drittens könnte er auf schlechte Bodenqualität deuten, so daß die Erträge dieses Ackers höchstens als Schweinefutter verwendbar waren.
Die endgültige Lösung ist noch offen.
 
 
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Kiesabbau – ja oder nein?
 
In dem ältesten Gemeindekataster sind zwar eine ‚Lehmgrube‘, eine ‚Mergelgrube‘, ein ‚Sandloch‘ und ein ‚Steinbruch‘ in der Gemeindeflur erwähnt, den Flurnamen ‚Kiesgrube‘ sucht man jedoch vergeblich. Bei näherem Zusehen ist allerdings bei der zu Hausnummer Grünenbach 8 1/2 gehörenden Plannummer 247 mit dem Flurnamen ‚Auf derEinmark‘ in Klammern auch ‚Kiesgrube‘ zu lesen. Erst in neuerer Zeit wurde man dessen gewahr, daß geologische Gegebenheiten der Gemeinde einen reichen Kiessegen beschert haben, der – wie es sich weisen wird – zwiespältige Gefühle hervorruft. Bürgermeister Josef EUGLER hat dies auf den Punkt gebracht:
„Wir verfügen über erhebliche Kiesvorkommen, durch die wir Vor- und Nachteile haben. Zum einen braucht die Gemeinde wegen der Gewerbesteuer den Kies(abbau), zum andern sind die Leute gegen den Abbau.“
 
Dazu ist am 18.02.89 im WESTALLGÄUER in einem von Gisbert RITTER gezeichneten Artikel zu lesen:
  ... es liegt auf der Hand, daß entsprechende Firmen danach drängen, diese Vorräte abzubauen. Schon heute kalkulieren die Unternehmer bei ihren überschaubaren Gruben mit Abbauzeiten bis zu zehn Jahren ... Die Folgen des Kiesabbaus können die Grünenbacher aus eigener Erfahrung einschätzen. Was jetzt noch im kleinen geschieht, wird morgen sicherlich im großen Grünenbach verändern. Mit jeder weiteren Abbaustätte rollen mehr Lastwagen, mit jeder neuen Grube verändert sich die Landschaft, der Ort und damit auch der Mensch ...
 
Bereits 1982 fanden im Zusammenhang mit dem Kiesabbau in Schönau unter den Bürgern emotionsgeladene Diskussionen statt. Darüber war im Informationsblatt der Gemeinde Grünenbach 1982/45 vom 09.11.82 folgendermaßen die Rede:
  „Der Gemeinderat wies ... die Vorwürfe, in der Kiesbauangelegenheit in rechtlicher Unkenntnis entschieden zu haben, mit Nachdruck zurück ... In derAussprache wurde darauf hingewiesen, daß sich der Gemeinderat die Entscheidung nicht leicht machte. Sie ist sehr restriktiv gefaßt, indem gefordert wurde, daß der Kiesverkauf auf unser Gebiet beschränkt bleiben und der kleinräumige parzellenweise Abbau mit sofort anschließender Rekultivierung strikte Bedingung sein müsse.“
 
1989 sollte dieses Abbaugebiet zwischen Schönau und Röthenbach in südlicher Richtung ausgeweitet werden. Die nunmehr vorgesehene Fläche von einem Hektar sollte rund 30000 Kubikmeter pro Jahr erbringen. Die Entscheidung darüber wurde zunächst vertagt. Auch im Herbst ‘92 wurde ein Antrag der Allgäuer Kies- und Schottenwerke, der eine Erweiterung der Grube bei Schönau beinhaltete, vom Gemeinderat zweimal abgelehnt. Ein fehlender Flächennutzungsplan und eine Weisung von oben zwang jedoch zum Einlenken.
 
Zuvor war ein zweites großes Vorkommen mit Kies von hoher Qualität am Ortsausgang in Richtung Gestratz entdeckt worden. Das Ergebnis einer Probebohrung bestätigte die Vermutung, daß man mit einer 15 m dicken Schicht rechnen könne. In dem an den Grünenbacher Gemeinderat gerichteten Antrag hieß es deshalb: „Hier kann mit einer geringen Menge Landverbrauch ein Maximum an Kies geschöpft werden.“ Nach ihren Erkenntnissen glaubte die am Abbau interessierte Firma, mit ca. 390000 cbm Kies rechnen zu können, von denen rund 300000 cbm verwertbar sein sollten. „Die Wiederauffüllung kann sofort erfolgen“, heißt es weiter. Weiter verpflichtete sich der Unternehmer bereits im Bauantrag zur Einschränkung des Lastwagenverkehrs auf die Wochentage Montag bis Freitag. Trotzdem blieb das Bedenken der Gemeinderäte bestehen, daß der Abbau an diesem Ort einen schweren Eingriff in die Natur darstelle. Zudem entstehe damit ein neuer Krater in der Landschaft.
 
Auswirkungen auf den Fremdenverkehr befürchteten Grünenbachs Vermieter in einem Leserbrief vom 15.03.89 an den WESTALLGÄUER:
  ...Nichts fürchten Erholungsuchende mehr als einen Kieslasterverkehr. Wir Vermieter sind der Meinung, daß man in unserer Gemeinde nicht gleichzeitig drei Kiesgruben betreiben kann. Erst wenn die vorhandenen Kiesgruben erschöpft sind, kann an eine neue Planung gedacht werden ... Durch den Kieslasterverkehr würde Grünenbach nicht nur sein Aussehen, sondern auch sein Ansehen verlieren.“
 
Zuguterletzt gab das Landratsamt den Rat, der Gemeinderat sollte in einem Flächennutzungsplan klar- stellen, daß eine weitere Kiesförderung nicht mehr erwünscht ist.
 
 
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Diese Seite wurde am 19. Juli 2010 erstellt
und am 4. Juni 2012 zuletzt bearbeitet.