Chronik Grünenbach

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GRÜNENBACHER CHRONIK
 
von den Anfängen bis zur Gegenwart
 
von Pfarrer Herbert Mader
 
Teil 6
 
Seite 26 bis 30

 
Spuren der Vorzeit
 
An einem regnerischen Herbstabend – man schrieb den 2. Oktober 1891 – entstiegen drei Männer dem im Bahnhof Harbatshofen haltenden Zug, welcher wenig später in Richtung Röthenbach weiterdampfte. Sie überquerten die von Ebratshofen nach Schönau führende Straße und fragten den „Adler“-Wirt nach einem Nachtquartier, das ihnen auch bereitwillig gewährt wurde. Nachdem sie sich gestärkt und bald danach ihre Zimmer aufgesucht hatten, erhoben sie sich am nächsten Morgen schon sehr früh und machten sich, dem immer noch andauernden Regen zum Trotz, in Richtung Grünenbach auf den Weg. Einer von ihnen, August ULLRICH aus Kempten, ein Kaufmann und Hobby-Archäologe, hatte zuvor mit dem Grünenbacher Pfarrer und Dekan Andreas HAID Kontakt aufgenommen und ihn für sein Vorhaben gewonnen.
 
ULLRICH hatte sich bei der Ausgrabung der Römersiedlung Cambo- dunum Verdienste er- worben. Seine Neugier war geweckt und er versuchte daraufhin, den Verlauf der Römer- straße von Cambodu- num bis Brigantium im Gelände zu orten. Bei dieser Erkundung war er in der Nähe von Grünenbach auf den Chronik Seite 26 Der „Stein“ bei Grünenbach
‚Stein‘ gestoßen. Sein geschultes Auge erkannte einen Wall, eine durch Aufschüttung gebildete Terrasse mit einem auf ihr liegenden Findlingsblock und einen Damm, der den Zugang zu diesem Findlingsblock ermöglichte. Begleitet von dem Kemptner Architekten Adolf LEICHTLE, war er wiedergekommen und hatte von diesem eine – maßstabgetreue Zeichnung 1:500 fertigen lassen, die später im „Allgäuer Geschichtsfreund“ (Jahrg. IV/ Nr 6) veröffentlicht wurde. ULLRICH war nämlich überzeugt, eine alte Kultstätte entdeckt zu haben. Auf der Generalversammlung der deutschen Geschichts- und Alter-tumsvereine im September 1891 in Sigmaringen trug er seine Vermutung vor. Sie wurde von den Anwesenden bestätigt. Die Vermutung sollte nun durch eine Grabung erhärtet werden.
 
Die beiden Begleiter ULLRICHs – Hugo ARNOLD aus München, Hauptmann und ebenfalls Hobby-Archäologe, und der Vorstand des Münchner Altertumsvereins, KUPPELMAYER – hatten ebenfalls einschlägige Erfahrungen und sollten an Ort und Stelle ihre Ansicht äußern. Obwohl es intensiv regnete, waren einige Männer aus Grünenbach bereit, den Spaten zu schultern. Möglicherweise dachten sie, bei der Hebung eines Schatzes behilflich sein zu können.
 
Zunächst wurde der Stein vom Humus befreit, der sich im Laufe der Jahrhunderte in dicker Schicht abgesetzt hatte. Die Oberfläche war durch Frost und Nässe vielfach verwittert. Der Nagelfluhblock hatte an seiner Basis eine Länge von ca. 7 m und war ca. 3 m breit. Ungefähr 1,80 m ragt er über die Oberfläche des Plateaus hoch. Die nördliche Seite zeigte sich 1,65 m tief abgearbeitet und bildete dann eine 1 m breite horizontale Bank, von welcher ab der Stein als roher abgerundeter Block im Untergrund steckt. An der Südseite fand sich eine 0,31 m breite Stufe, 0,35 m tiefer als die Oberkante, von dieser Stufe ab eine 0,75 m hohe, senkrechte Wand und am Fuße derselben ebenfalls eine 0,65 m breite Bank, von welcher ab der Stein wie auf der Nordseite nicht bearbeitet ist und im Erdreich verschwindet. An der Westseite war eine Bearbeitung des Findlings nicht zu erkennen.
 
 
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Spuren der Vorzeit
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Und nun August ULLRICH in seinem Beitrag „Der ‚Stein‘ bei Grünenbach“ wörtlich: („Allgäuer Geschichtsfreund“, Jahrg. IV/ Nr. 6, S. 2)
 
Die absichtliche Herstellung der oberen Stufe an der Südseite kann mit Sicherheit nicht behauptet werden, da es sehr wohl möglich ist; daß dieselbe durch Auswitterung und durch unvorsichtiges Arbeiten der bei der Schürfung verwendeten ungeübten Arbeiter entstanden sein kann; ohne Zweifel aber ist die senkrechte Bearbeitung der Nord- und Südseite und die künstliche Anlage der Sohlbänke, und zwar in früher Zeit was aus der Anhäufung von Steinschutt und Humus neben und auf diesen Bänken hervorgeht. Auf der Obenläche des Steines wurde vor einzgerZeit ein eigenthümliches Conglomerat (= Gemisch) von Schlacke, verbrannten Steinen, Bronzeblech, angebrannten und ganz unversehrten Holztheilen gefunden, das Herr Kaufmann ZUMSTEIN in Grünenbach verwahrte und nun dem Museum des Allgäuer Alterthumsvereins in Kempten zu überlassen die Güte hatte. Außer diesem, wahrscheinlich durch Zufall an die Stelle gelangten Stücke und einigen in der Humusschichte gefundenen modernen Ziegelstücken fand sich in den ausgehobenen Gräben keine Spur von Mauerschutt oder sonstigen Bauresten; vielmehr zeigte sich die Aufschüttung, durch welche das Plateau gebildet wurde, als reiner, unvermischter Gletscherschutt, wie ihn die Umgebung der Stelle bietet, und es ist mit aller Bestimmtheit anzunehmen, daß sich sogar vermoderte Holztheile durch Färbung ihrer Umgebung hätten erkennen lassen müssen, also auch ein Holzbau hier nicht gestanden haben kann.
 
Mit den abschließenden Sätzen wendet sich ULLRICH gegen die Annahme von Pfarrer ENDRES, der in seiner „Geschichte der Pfarrei Grünenbach“ schreibt (S, 68):
 
... Ebenso stand eine Burg einige 100 Schritte hinter Grünenbach, am Fuße des Staufen, von der man ebenfalls die Einfahrt, den Burggraben und einiges Gemäuer, in dem sich Eschen eingeniste, sieht, ‚Stein‘ genannt.
 
Dazu Hauptmann ARNOLD, den ULLRICH wohl wegen seiner Vertrautheit mit Befestigungsanlagen als Begleiter gewählt hatte:
 
... ENDRES scheint nach dieser Schilderung nicht an Ort und Stelle gewesen zu sein oder den Nagelfluhblock für Mauerwerk gehalten zu haben ...
 
Zum Abschluß noch eine kurze Beschreibung der Gesamtanlage:
 
 
Chronik Seite 27 Kultstätte
Sie liegt ungefähr ca. 200 m östlich von Grünenbach. Ein 18 1/2 m x 20 m messendes Plateau überragt das von Nord nach Süd abfallende Gelände nur um ca. 0,60 m und ist auf der Südseite von diesem durch einen 1,30 m bis 1,75 m tiefen Graben getrennt. Durch diesen Graben führt ein 3,20 m breiter Damm, der einen bequemen Zugang zu dem Plateau bildet. Der ca. 7 m breite Graben umzieht im Viereck auch die übrigen drei Seiten. Das Aushubmaterial aus demselben ist zum Teil zur Herstellung des Plateaus verwendet, zum Teil aber nach außen geworfen, so daß an der West-, Nord- und Ostseite ein bis zu 1,60 m hoher Wall die innere Grabenböschung bildet. Nur wenige Schritte nördlich der Anlage entspringt eine kräftige Ouelle.
 
Die Aufschüttung auf dem oben erwähnten Plateau ist 0,90 bis 1,20 m hoch. Unter dieser Aufschüttung, auf der ursprünglichen Oberfläche, fanden sich an der Westseite des Findlings starke Brandspuren und an dessen Nordseite
Knochen, die Reste eines Rinderschädels, sowie einige Scherben eines rohen, unglasierten, wahrscheinlich becherartigen Tongefäßes. (so ULLRICH)
 
Damit könnte sich, wie auch anderswo, die Angabe des griechischen Schriftstellers AGATHIAS bestätigen, daß die Alamannen Bäume, Gewässer und Hügel verehrten, denn um eine Kultstätte handelt es sich wohl hier.
 
 
 
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Die mittelalterliche Diözese am Oberrhein
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Die mittelalterliche Diözese am Oberrhein
 
Die Grenzen haben sich bis heute kaum geändert.
Chronik Seite 28 Die mittelalterliche Diözese am Oberrhein
 
 
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Im kirchlichen Bereich nach Westen orientiert
 
Die häufige Erwähnung des Klosters Mehrerau in Grünenbachs Annalen macht es schon deutlich, daß die Westallgäuer Gemeinde nicht nach Osten zur Iller, sondern nach Westen zum Bodensee hin orientiert war. Das gilt natürlich ebenso für die größere kirchliche Verwaltungseinheit, die Diözese. Erst vor knapp 200 Jahren wurde das Dekanat Weiler mit der Ottmarspfarrei dem Bistum Augsburg zugeschlagen, nachdem sowohl das eine wie die andere weit mehr als ein Jahrtausend zum Bistum Konstanz gehört hatten.
 
 
Mit Bischof Gaudentius († 613] tritt diese Diözese zum erstenmal ins Licht der Geschichte. Sie wurde wohl um 600 im Herzen des Alemannenlandes gegründet. Nach dem Tod des Gaudentius bietet der Alemannenherzog Gunzo den Bischofstuhl der Bodenseestadt dem Mönch Gallus an, der an der Steinach seine Klause erbaut hat. Doch der lehnt ab.
 
An der Wende zum 10. Jahrhundert und im 10. Jahrhundert sitzen in Konstanz hervorragende Männer auf dem Bischofstuhl:
 
–  Salomon III. (890-919) ist ein bewährter Oberhirte und als gleichzeitiger Abt von St. Gallen Vater seiner Mönche. Er lenkt sogar zeitweilig als Reichsverweser die Geschicke des Reiches.
 
–  Konrad (934-975], später zur Ehre der Altäre erhoben, aus der Familie der Welfen stammend, mit Bischof Ulrich von Augsburg († 973] in Freundschaft verbunden, beschenkte viele Kirchen und Klöster.
 
–  Gebhard (979-995) aus dem Geschlecht der Grafen von Bregenz hatte gute Beziehungen zum Kaiserhaus. Bei der Taufe Ottos III. war Gebhard dessen Pate. 983 stiftete er die Abtei Petershausen, von der wiederum die Gründung des Klosters Mehrerau ausgeht. Auch er wird heilig- gesprochen.
Chronik Seite 29 Bischof
 
Die Bischöfe von Konstanz sind Herren eines kleinen Territoriums, welches allerdings nur 22 Ouadratmeilen umfaßt und ca. 50000 Einwohner zählt. Für die vielfältigen Verpflichtungen reichen die Einnahmen bei weitem nicht aus. Im jahr 1370 beträgt die Verschuldung das zwanzigfache Jahreseinkommen.
 
Zunächst dem Erzbischof von Besançon unterstellt, wurde es von Bonifatius († 754) dem Erzbistum Mainz zugeordnet. Gegliedert war die Diözese in zehn Archidiakonate, die den heutigen Regionen vergleichbar sind:
 
I. Vorwald II. Rauhe Alb III. Allgäu IV. Illergau V. Burgund
VI. Klettgau VII. Breisgau VIII. Thurgau IX. Zürichgau X. Aargau
 
1435 gab es im Bistum 17060 Priester, 1760 Pfarreien, 350 Männer- und Frauenklöster.
 
Das große Ereignis war das Konzil (1414-1418), das einzige auf deutschem Boden, welches die abendländische Kirchenspaltung beendete. Während dieser Zeit lebten in Konstanz zehnmal soviel Menschen, als Haushalte vorhanden waren. In der Hauptphase des Konzils konnte man in der Reichsstadt antreffen
 
90  Kardinäle und Erzbischöfe,  
1.000  Ordensgenerale, Bischöfe und Äbte sowie 2.000 Theologen,
200  Herzöge und Grafen sowie 5.000 Freiherrn und Ritter
 
Leider gingen in der Zeit der Reformation große Gebiete dem alten Glauben verloren:
 
in der Schweiz die Kantone Bern, St. Gallen, Schaffhausen, Thurgau, Zürich,
die Städte Esslingen, Konstanz, Reutlingen, Ulm,
das Herzogtum Württemberg, in dem Herzog Ulrich († 1550) im Jahr 1534 den Protestantismus einführte,
zeitweilig die Markgrafschaft Baden, in der Markgraf Bernhard III. († 1536) sich dem neuen Glauben zuwandte. Markgraf Philipp II. (1577-1588), in Bayern erzogen, führte das Land dann wieder zum katholischen Glauben zurück.
 
 
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Im kirchlichen Bereich nach Westen orientiert
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1526 verließ Bischof Hugo von HOHENLANDENBERG († 1532) die Bischofsstadt und übersiedelte nach Meersburg, wo 1735 mit einiger Verspätung auch ein bereits vom Konzil von Trient (1545-1563) vorgeschriebenes Priesterseminar gebaut wurde. Etwas früher waren seine anderen Weisungen zu einer allgemeinen Reform verwirklicht worden: 1567 und 1609 wurden Diözesansynoden gehalten, an denen auch Vertreter aus dem Westallgäu teilnahmen.
 
Zwei Bistumskataloge aus dem 18. Jahrhundert geben uns einen Einblick in die Diözesanstatistik:
 
Die Zahlen für 1750: 891948 Katholiken werden von 3744 Weltgeistlichen betreut. Außerdem gibt es im Bistum 2764 Mönche und 3147 Nonnen.
Die Zahlen für 1769: 897624 Katholiken leben in 1254 Pfarreien, zu denen noch 918 Kaplaneien hinzukommen. Diese Pfarreien sind zusammengefaßt in 52 Dekanaten oder Landkapiteln. ln 243 Männer- und Erauenklöstern befinden sich 6068 Personen.
 
In der Eidgenossenschaft gab es immer schon Bestrebungen, den schweizerischen Teil aus dem Bistumsverband zu lösen, ein gleiches plante Kaiser Joseph II. (1765-1790) für Vorderösterreich und Vorarlberg. Diese Pläne kamen vorläufig nicht zur Ausführung. Als jedoch mit dem Reichs- deputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 eine neue Lage geschaffen war – die weltlichen Fürsten, die links des Rheins Gebiete an Frankreich verloren hatten, wurden mit Kirchengut entschädigt – kamen die alten Vorhaben zum Tragen.
 
Chronik Seite 30 Konstanz
 
Blick auf Konstanz
Zunächst fiel je ein Teil des fürstbischöf- lichen Territoriums an die Schweiz und an Baden.
 
1814 fiel das Gebiet der Schweiz, in dem der Konstanzer Bischof als geistlicher Oberhirte etwas zu sagen hatte, an die Diözesen Basel und Chur, die Diözese St. Gallen wurde neu gebildet.
 
1817 bildete der König von Württemberg aus seinem Anteil an der Diözese Konstanz das Bistum Rottenburg. Der dem König- reich Bayern zugefallene Teil – die Dekanate Weiler, Lindau, Stiefenhofen und ein Teil des alten Dekanates lsny jetzt in ‚Kapitel Legau‘ umbenannt – wurde dem Bistum Augsburg zugeschlagen.
 
1821 wurde schließlich die Oberrheinische Kirchenprovinz errichtet, deren Metropolit in Freiburg seinen Sitz hatte. Das neue Erzbistum umfaßte neben Teilen anderer Diözesen den badischen Teil des Konstanzer Bistums und die Hohenzollerngebiete Sigmaringen und Hechingen. Dies war das endgültige Aus für das alte, traditionsreiche Bistum mit seiner Bischofstadt am Bodensee.
 
Aus diesen letzten Jahren des Bistums verdient noch eine Gestalt besondere Erwähnung, der letzte Generalvikar und nachmalige Kapitelsvikar Ignaz Heinrich Karl Freiherr von WESSENBERG (1774-1860). Er wirkte im Sinne der Aufklärung und hat damals schon vieles in die Wege geleitet, was durch das II. Vatikanische Konzil (1962-1965) Allgemeingut geworden ist:
 
Er wünschte ein gewisses Eigengewicht der nationalen Bischofskonferenzen.
Seine Sorge galt einer optimalen Ausbildung des Klerus, wobei er den Schwerpunkt auf die Kenntnis der Bibel und der Kirchengeschichte legte.
Die Moral sollte durch eine entsprechende Pastoral gefördert werden.
Er war ein Freund von deutschen Meßgesängen und Andachten bis hin zur deutschen Messe.
 
Leider hat er zu seiner Zeit eine entsprechende Anerkennung nicht gefunden.
 
 
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Diese Seite wurde am 5. Juni 2012 erstellt
und am 6. Juni 2012 zuletzt bearbeitet.